Filmkritik:Rassisten im Outback

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Der australische Regisseur Warwick Thornton zeigt in "Sweet Country" ein Land ohne Hoffnung

Von Gerhard Summer, Gauting

"Sweet Country" ist ein Western und doch auch wieder keiner. Schon die Verfolgungsjagd ist kurios, vor allem im Vergleich zu Klassikern des Genres. Den "Zwei Banditen" Butch Cassidy und Sundance Kid zum Beispiel war noch eine verdammt zähe Meute auf den Fersen ("die fangen an, mir langsam auf die Nerven zu gehen"), in dem Drama des Australiers Warwick Thornton macht Sergeant Fletcher ("ich bin das Gesetz") bald schlapp. Er hängt wie eine Vogelscheuche im Sattel seines Pferds und überlebt nur deshalb die Hatz im Outback, weil ihn der Verfolgte rettet. Auf dramatische Filmmusik verzichtet der Regisseur ganz, nur am Ende singt Johnny Cash. Es gibt sogar eine ernstzunehmende Gerichtsverhandlung mit Zeugen, Zuhörern und Angeklagtem in Liegestühlen. Und Richter Taylor spricht den Buschmann Sam Kelly tatsächlich frei.

Klar, Sam hat den Trunkenbold und Vergewaltiger Harry March in Notwehr erschossen. Aber seit wann hat ein Western so was zu bieten, auch wenn Sam am Ende von einem Schuss aus dem Hinterhalt niedergestreckt wird: Gerechtigkeit für einen Eingeborenen, der einen Weißen abknallt? "Sweet Country" ist schon deshalb ein australischer Western für Leute, die keine Western mögen: ein Film, der auf Klischees und sinnloses Geballere verzichtet, deshalb keine richtigen Schurken und keine richtigen Helden hat und vor allem ein in der Hitze geröstetes, hoffnungsloses Land zeigt. Das Drama spielt 1929 zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Weiße Farmer haben sich den Boden der Aborigines unter den Nagel gerissen und behandeln "ihre Schwarzen" wie Dreck. Die entwurzelten Sklaven begehren nicht auf. Einzig Prediger Fred Smith behandelt Sam und dessen Frau wie Menschen.

Das Epos ist 2017 auf dem Filmfest in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet und als bildgewaltig gefeiert worden. Der Film lebt von exzellenten Landschaftsaufnahmen, etwa dem Ritt durch eine Wüste, die weiß ist wie Salz, und dem nächtlichen Blick auf die Lücke zwischen zwei senkrecht abfallenden Felswände, in der Mond und Sternenhimmel glitzern. Andererseits hat dieser Film über Rassismus und Verbitterung auch zu wenig von dem zu bieten, was ihn vom Western deutlicher abheben könnte: Figuren bleiben blass, und als Thriller entwickelt er zu wenig Sog und Spannung.

"Sweet Country": 14. September, 11 und 17.30 Uhr, in Starnberg, 15. September, 20.30 Uhr, in Schloss Seefeld.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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