Europawahl im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Durch den Magen

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Wenn's ums Essen geht, gibt es selten Grenzen zu überwinden. Zwischen Münsing und Kochel am See kommen Liebhaber der deftigen böhmischen Küche genauso auf ihre Kosten wie Freunde der feinen französischen Cuisine.

Von Sally-Victory Jüssen

Kulinarisch hat Europa nie eines Schengener Abkommens bedurft: Bei Pizza und Pasta, Gyros und Zaziki, Crêpes und Bouillabaisse läuft auch deutschen Restaurantbesuchern das Wasser im Mund zusammen. Und die Vielfalt europäischer Küche zeigt sich keineswegs nur in den Großstädten. Auch im bayerischen Oberland finden Gourmets ein breites Angebot von der feinen französischen Cuisine bis zu deftigen böhmischen Gerichten. Die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen hat sich auf einen kleinen lukullischen Streifzug begeben.

In den Kochler Stuben ist Laurent Pigault Chef de Cuisine.Seine Spezialität: Gebratene Blutwurst und Apfel, fein abgeschmeckt mit Nelken und Zimt. (Foto: Manfred Neubauer)

Blutwurst und Apfel, Nelken und Zimt: Das sind die Ingredienzien eines klassischen Elsässer Gerichts, serviert mit Kartoffelpüree. Der Deutsch-Franzose Laurent Pigault bietet es in seinen Kochler Stuben an der Mittenwalder Straße zu einem Preis von 15,80 Euro an. Es sei das Lieblingsgericht seiner Gäste, erzählt er; viele kämen nur deswegen, umso mehr, als es anderswo kaum auf der Speisekarte stehe. Neben den französischen Spezialitäten bieten die Kochler Stuben auch bayerische Gerichte an. Auf der Homepage des Restaurants (http://www.kochler-stuben.de/) kann auch die Speisekarte eingesehen werden. Pigault sagt, er sehe nicht grundsätzlich einen geschmacklichen Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Küche, vielmehr unterschieden sich die Essgewohnheiten: "Wenn ich mit meiner Familie in Frankreich esse, sitzen wir eineinhalb Stunden am Tisch", die Deutschen nähmen sich oft nicht so viel Zeit. Der Wirt findet, dass Essen vielmehr "gefeiert" werden sollte.

(Foto: Ilona Burgarth)

Pigault kam 1989 nach München, um Freunde zu besuchen. Dann habe er sich in die Gegend verliebt. Nach seiner Einschätzungen ist die Mentalität der Bayern jener der Franzosen ähnlich. Ihm gefielen die Gemütlichkeit und die Gelassenheit der Menschen hier, sagt er. Wenn man seine Frau fragte, ob er Deutscher oder Franzose sei, würde sie bestimmt sagen, er sei ziemlich deutsch, sagt er lachend.

Wem der Sinn nach einem traditionellen "Moussaka" steht, der wird im Restaurant Der Grieche an der Enzianstraße in Wolfratshausen fündig. Diese Speise wird dort zu 9,90 Euro angeboten. Sie bestehe aus Kartoffeln, Auberginen, Hackfleisch und Béchamelsauce, erklärt Wirtin Anka Marenova. Auch die bekanntesten Gerichte wie Gyros, Souflaki und Calamari werden dort angeboten. Griechen und Deutsche seien unterschiedliche Geschmackstypen, findet Marenova. In der griechischen Küche würden mehr Gewürze wie Knoblauch, Oregano oder Zwiebeln verwendet.

Domenico Tedesco serviert im Ristorante Pinocchio seines Bruders Giuseppe das Lieblingsessen der Gäste: Pappardelle ai funghi. (Foto: Hartmut Pöstges)

Marenova erinnert sich an ihren ersten Leberkäse vor etwa zehn Jahren. Sie sei total überrascht gewesen von dem Geschmack, da Fleisch in Griechenland ganz anders verarbeitet und gewürzt werde. Die Griechin ist seit elf Jahren in Wolfratshausen. Ihre Cousine lebte schon hier, erzählt sie. Und bei einem Besuch habe sie dann ihren späteren Mann kennengelernt.

Wer in den Genuss der kroatischen Küche kommen will, sollte die "Fischplatte Dubrovnik" im Restaurant Bibisee am Seeweg in Königsdorf probieren. Für 18,50 Euro erhält man eine Auswahl an Calamari, Lachsfilet, Zanderfilet, Scampi und dazu Spinat-Kartoffeln, die mit Knoblauch zubereitet werden. Aber auch Leber oder Fleischgerichte kämen bei den Gästen gut an, sagt Inhaber Marko Buric. Er sieht einen Unterschied zwischen Deutschen und Kroaten in der Organisation. Wenn's stressig werde, gehe es in der kroatischen Küche eher unstrukturiert zu, sagt er selbstkritisch scherzend. Die Kroaten liebten leichtere Grillgerichte. Er vermutet, dass dies am Klima liege. "Jede Küche ist geschmacklich gut so", sagt Buric. Er erinnert sich noch genau an seine erste Schweinshaxe, die er Ende der Achtzigerjahre auf dem Oktoberfest gegessen habe. Traditionell probierte er das bayerische Gericht mit Bier - und es sei "fantastisch" gewesen.

Moussaka ist eine der Spezialitäten beim Griechen in Wolfratshausen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Buric ist 1989 nach Deutschland gekommen. Seine Schule hat der 48-Jährige in Kroatien abgeschlossen. Sein ursprünglicher Plan war es, zwei Monate in Deutschland zu bleiben. Ihm gefällt die Region um den Bibisee, denn sie erinnere ihn an Kroatien. Wenn er auf das blaue Wasser schaut, dann sei das ein "herrliches" Gefühl. Dennoch verbringe er seine Urlaube in seinem Heimatland: "In Kroatien sehe ich mich als Deutscher und in Deutschland als Kroate."

Am Bibisee tischt der Kroate Marco Buric auf. (Foto: Hartmut Pöstges)

Für die böhmische Küche gibt es nicht allzu viele Lokale. Eines steht in Kochel: der Alpengasthof Rabenkopf. Eine Spezialität auf der Speisekarte ist der altböhmische Sauerbraten. Diese Svíčková gehört zu den bekanntesten und beliebtesten böhmischen Speisen. Im Rabenkopf werde sie nach dem Originalrezept der Köchin Magdaléna Dobromila Rettigová zubereitet, berichtet Chef Jörg Slaschek. Rettigová habe das Rezept im Jahre 1826 geschrieben, informiert die Speisekarte, die online eingesehen werden kann (www.rabenkopf.de). Der Sauerbraten bestehe aus in Wein gebeiztem Rinderbraten, der mit Sahnegemüsesoße serviert werde. Die Zubereitung sei aufwendig, denn das Fleisch müsse erst eingelegt werden, ehe es im Gemüsesud gekocht wird, berichtet Slaschek. Die Speise kostet 16,80 Euro.

So lieben es Kroaten und Deutsche: Die Fischplatte im Restaurant am Bibisee bietet eine Auswahl an Calamari, Lachs, Zander, Scampi und dazu Spinat-Kartoffeln, die mit Knoblauch zubereitet werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Slaschek ist in Leipzig geboren. 1945 ist er mit seiner Mutter ins böhmische Erzgebirge ausgewandert und dort aufgewachsen. Er und seine Mutter beherrschten die tschechische Sprache nicht, erzählt er. Sein Vater sei nach Brasilien abgehauen. Slaschek studierte in Tschechien Forstwirtschaft und kam 1967 nach Bayern. In der Gastronomie fing er als Aushilfe an; damals habe er sich gedacht: "Da kochen wir zu Hause besser." So übernahm er 1974 das Gasthaus Brückenwirt in Wolfratshausen und kaufte 1980 das Restaurant Rabenkopf. Die Unterschiede der Küchen liegen seiner Ansicht nach besonders in den Soßen, die im Böhmischen gern mit Rahm zubereitet oder gebunden würden. Auch Suppen seien typisch, wie die Prager Kuttelsuppe aus in Streifen geschnittenem Kalbspansen. Viele Gäste seien darauf "scharf".

Kaum eine ausländische Küche dürfte hierzulande stärker vertreten sein als die italienische. Und überall gehören Pasta-Gerichte - Nudeln - zu den Rennern. Im Restaurant "Pinocchio" in Münsing bestellten die Gäste am liebsten die Pappardelle ai funghi porcini e filetto di manzo, sagt Inhaber Giuseppe Tedesco: hausgemachte breite Bandnudeln in Tomatensoße, mit Austernpilzen und Rinderfiletspitzen zu 12 Euro. Tedesco kocht selbst, und zwar "mit Liebe", wie er betont. Das Restaurant besteht seit 2007 und liegt direkt am Sportplatz, so dass es schon von daher bei Trainings- und Spielbetrieb gut besucht ist. Zudem kämen Gäste aus München, um bei ihm zu speisen, sagt der Padrone. Der Grund dafür sei vermutlich auch das nahe Erholungsgebiet am Starnberger See.

Der 47- Jährige lebt seit 21 Jahren in Deutschland. Er stammt aus der Region Kalabrien. Dass er nach Deutschland gegangen ist, bereut Tedesco nicht, denn die Gegend sei "ein Traum", nur das Wetter störe ihn manchmal. Und seine Urlaube verbringt der Italiener eh in der Heimat.

© SZ vom 07.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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