Eine Jazz-Kantate von 1949:Wiedergeburt der "Apokalypse"

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Angela von Wallwitz ist an der Isar groß geworden. Ihr Vater, der Komponist und Umweltaktivist Karl Feilitzsch, hatte sich Zeit seines Lebens für den Schutz des Isartals eingesetzt. Viele der Flugblätter, die er einst in Umlauf gebracht hatte, sind erstaunlich aktuell. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Komponist Karl Feilitzsch hatte sich ein Leben lang für Demokratie und Umweltschutz eingesetzt. Nun will seine Tochter Angela von Wallwitz sein Hauptwerk vor allem jungen Leuten nahebringen

Von Anja Brandstäter, Bad Tölz/München

Der Abend hat Angela von Wallwitz an ihre Kindheit erinnert, an Zeiten, in denen in ihrem Elternhaus Leute wie Erich Kästner, Therese Giehse, Berthold Brecht oder Ludwig Mies van der Rohe ein- und ausgingen. Engagierte Künstler waren unlängst in ihrem Haus im Südlandkreis zu Gast, um sich über die "Apokalypse" auszutauschen, das Hauptwerk ihres Vaters. Der Komponist und Umweltaktivist Karl Feilitzsch (1901 bis 1981) hatte die Jazz-Kantate 1949 als Appell für den Frieden geschrieben. Seit Monaten steckt Angela von Wallwitz ihre gesamte Energie in das Projekt, der "Apokalypse" zu einer Wiedergeburt zu verhelfen.

In Kürze ist es soweit: Anlässlich des Gedenktags "100 Jahre Ende Erster Weltkrieg" kommen die Komposition und der gleichnamige Film von Gisbert Hinke am Sonntag, 11. November, nach langer Zeit erneut zur Aufführung. Von Wallwitz will damit deutlich machen, dass Werte wie Demokratie und Umweltschutz, die ihrem Vater so wichtig waren, auch heute verteidigt werden müssen. "Ich bin froh und dankbar, dafür großartige Künstler gewonnen zu haben", sagt sie. Die musikalische Leitung des Konzertabends liegt bei dem 23-jährigen Patrick Hahn, der an der Bayerischen Staatsoper debütierte und von Kirill Petrenko gefördert wird. Elna Lindgens, Christopher Robson und Stefan Wilkening übernehmen Sprecherrollen. Solisten in der Singstimme sind Jürgen Sacher (Tenor) und Christian Rieger (Bariton).

Hinkes Film "Apocalypse" aus dem Jahr 1955 galt lange Zeit als verschollen, bis er vor kurzem in der Garage seines Sohns wieder zum Vorschein kam. Das Werk war 1959 bei der Biennale in Venedig mit dem dritten Preis ausgezeichnet worden, die Filmmusik stammt von Feilitzsch. "Wir haben den Film aufwendig restaurieren lassen", erläutert von Wallwitz. Sie kooperiert bei diesem Projekt mit der Bayerischen Landeskoordinierungsstelle Musik und der Landeszentrale für politische Bildung. Die "Apokalypse" ist ein offizielles Schulprojekt, Schüler und Lehrer haben freien Eintritt.

"Es ist wichtig, sich zu engagieren", sagt die Kunsthistorikerin. Von ihrem Vater habe sie die Maxime gelernt: "Handle nach der Notwendigkeit, ohne Eigennutz." Karl Feilitzsch hatte sich schon vor dem Aufkeimen der großen Umweltbewegungen für den Umweltschutz eingesetzt. So war er unter den Protestierenden, als die bayerische Staatsregierung in den Sechziger Jahren drauf und dran war, einen Großflughafen im Hofoldinger Forst errichten zu lassen. Damals sollten Baumbestände auf einer Fläche von 2300 Hektar weichen, ungeachtet dessen, dass unter dem Wald Bayerns größter Trinkwasserspeicher lag. Daraufhin schlossen sich 18 Gemeinden zusammen und bildeten die "Schutzgemeinschaft Hofoldinger Forst - Bayerisches Oberland". Gemeinsam gelang es ihnen, das Großprojekt zu verhindern.

Brisant mutet auch ein anderes Thema an, das Feilitzsch und Gleichgesinnte vor Jahrzehnten aufgriffen: Sie plädierten für einen ausgewogenen Wohnungs- und Gewerbebau im Landkreis. Um sich Gehör zu verschaffen, verfasste die "Selbsthilfe-Organisation der Bewohner des Isartals" Plakate, die sie bayernweit verbreitete - immerhin 2300 Stück.

Deren Inhalt liest sich auch heute noch aktuell: Es geht um Gewässerschutz, Luftreinhaltung und bezahlbaren Wohnraum. Eines richtete sich direkt an den damaligen Bürgermeister von Wolfratshausen, Willy Thieme, mit dem Ziel das Isartal vor Bausünden zu bewahren. 1978 war Feilitzsch Mitbegründer der ersten bundesweiten grünen Bürgerbewegung um Herbert Gruhl, die sich "Grüne Aktion Zukunft" nannte.

"Freie Meinungsäußerung ist eine große Errungenschaft", sagt Angela von Wallwitz. Diese sieht sie nun in Gefahr: "Wir nehmen einen schleichenden Verlust unserer Freiheit hin. Demokratie ist eine Gratwanderung zwischen Sicherheit und Freiheit." Mit der Aufführung der "Apokalypse" und des gleichnamigen Kunstfilms will sie junge Menschen aufrütteln und ermutigen: "Jeder kann etwas verändern."

Die Musik sei keine schwere Kost, sondern stehe dem amerikanischen Jazz der Dreißiger und Vierziger Jahre nahe. Die Schirmherrschaft übernimmt Felix Finkbeiner, Gründer der Jugendumweltorganisation "Plant-for-the-Planet".

Die Kontakte zu den mitwirkenden Künstlern hat der Operndramaturg Ronald Adler geknüpft. Seine Frau Margarete Adler-Koerber hat die Dramaturgie und die Lichtregie übernommen. Denn die Partitur verlangt eine Regie für den Einsatz von Scheinwerfern an "dynamischen Höhepunkten".

Apokalypse, Sonntag, 11. November, 18 Uhr, Herkulessaal, München, Karten über München Ticket, Tel. 089/54 81 81 81

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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