Ein Jahr Mittelschule:Die 100-Prozent-Klasse

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Alle Prüflinge aus dem Ganztageszweig der Geretsrieder Mittelschule haben den Quali bestanden. Die Rektorin sieht einen speziellen Grund dafür.

Bernhard Lohr

Individuelle Förderung zahlt sich offenbar aus. Alle Schüler der Ganztagsklasse an der Geretsrieder Mittelschule, die zur Qualiprüfung angetreten sind, haben diese bestanden. So eine 100-Prozent-Quote sei etwas absolut Ungewöhnliches, sagt Rektorin Eva-Maria Hörmann. Sie führt den Erfolg auf das Studierkonzept zurück, das derzeit mit Personal des Trägervereins Jugendarbeit umgesetzt wird. Insgesamt ziehen die Schulleiter nach einem Jahr Mittelschule im Landkreis ein überwiegend positives Fazit. Vor allem die noch stärkere Berufsorientierung kommt an. Ein Berufsintegrationsjahr soll denen, die ohne Abschluss sind, eine Perspektive geben.

In der Geretsrieder Mittelschule ist keiner der angetretenen Schüler durchgefallen. (Foto: Manfred Neubauer)

Den Quali bekommt man nicht geschenkt. Durchfallquoten von 50 Prozent sind an Schulen durchaus üblich. Die Geretsrieder Rektorin Hörmann sieht in dem Scheitern so vieler zum einen den Beweis dafür, dass dieser Abschluss "durchaus Qualität" hat. Andererseits ist sie überzeugt, dass mehr Schüler den Quali schaffen können und müssen. Dass jetzt die erste 9. Klasse aus dem Ganztageszweig, die zum Quali angetreten ist, so erfolgreich abgeschnitten hat, sieht sie als Zeichen dafür, dass intensivere Betreuung ein Schlüssel zum Erfolg ist; selbst wenn es nächstes Jahr nicht wieder einen 100-Prozent-Jahrgang geben sollte.

Rudi Mühlhans, Geschäftsführer des Trägervereins, der das Ganztageskonzept mitentwickelt hat, streicht die tägliche Studierzeit heraus, in der die Schüler mit Betreuern Hausaufgaben machten sowie den Unterricht vor- oder nachbereiteten. Durchfallquoten von um die 50 Prozent seien inakzeptabel, sagt Mühlhans, der auch in der freien Jugendarbeit stark engagiert ist. "Wenn der Einstieg ins Arbeitsleben einigermaßen funktioniert, dann ist schon viel geschafft."

Grundlegend Neues gab es laut Schulrätin Marianne Konrad an den zehn Mittelschulen nicht, die in drei Schulverbünden organisiert sind. Die modulare Förderung von Schülern, Ganztageszweige und Berufsorientierung seien in den Vorjahren angelegt worden. Die Mittelschule sei "Endpunkt der Entwicklung der Hauptschule". Dennoch gab es gerade bei der Berufsorientierung noch einmal einen Schub. Zusätzlich zu den Praktika kommen jetzt öfter Handwerksmeister in die Klassen. Der Leiter der Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen, Josef Bichler, sagt, seine Schule sei "sehr interessiert", dass die Jugendlichen im dualen Berufsausbildungssystem Fuß fassten.

Deshalb gibt es an der Schule in Bad Tölz für alle ohne Lehrstelle neuerdings ein Berufsintegrationsjahr. Zusätzlich zu den beiden Zweigen Handel und Handwerk wird ein Zweig Soziales und Pflege eingerichtet, in dem die Schüler ein Jahr lang begleitet von Sozialpädagogen im dreiwöchigen Wechsel die Schulbank drücken und in einem Betrieb arbeiten. Mancher entdecke da erst seine Neigung, sagt Bichler, und mancher Betrieb stelle fest, dass der eine oder andere ein geeigneter Mitarbeiter sei. An die 60 Schüler erwartet Bichler für die drei Klassen.

Ein Fürsprecher der Weiterentwicklung der Hauptschule, der Königsdorfer Rektor Alfred Bauernfeind, hat seine Stelle geräumt und ist ans Schulamt in München gewechselt, wie es aus der Schule heißt. Die Stelle sei noch nicht wieder neu besetzt, Sprecher des Nordverbunds der Mittelschulen ist jetzt Peter Altstidl aus Wolfratshausen. Die Zahl der Mittelschulen im Landkreis schrumpft 2012/2013 von zehn auf neun, weil die Jahnschule in Bad Tölz zur reinen Grundschule wird. Leiterin Christine Janning sieht es insgesamt als Verlust, ist angesichts der Belastung des Kollegiums aber nicht ganz unglücklich über die Veränderung. Der Wandel zur Mittelschule hat aus ihrer Sicht die Schulform allenfalls leicht aufgewertet.

Michael Basel, stellvertretender Rektor der Tölzer Südschule, betont die Fortschritte. Das System sei durchlässiger geworden, öfter wechselten Schüler auf die Realschule. Einen Ganztageszug baut die Südschule auf. Kommendes Jahr soll es eine 9. Klasse und einen Qualijahrgang geben. Der Erfolg in Geretsried ist für ihn "Ansporn".

© SZ vom 20.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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