Der  Waldramer ist gerade aus New York zurückgekehrt:"Nur die Musik"

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Gregor Mayrhofer kann Tag und Nacht von Partituren zehren, um dann Orchester-Organismen zum Leben zu erwecken. Dazwischen komponiert und improvisiert er - am liebsten mit seinem Bruder

Interview von Stephanie Schwaderer

Gregor Mayrhofer aus Waldram zählt zu den talentiertesten Nachwuchsmusikern Deutschlands: Gerade ist er von der Juilliard School in New York zurückgekehrt, wo er zwei Jahre lang Dirigieren bei Alan Gilbert, dem Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker, studiert hat. Bevor es ihn wieder in die weite Musikwelt hinauszieht, gestaltet der 29-Jährige zwei außergewöhnliche Konzerte in Wolfratshausen und Ammerland.

SZ: Kommt Ihnen Ihr Jugendzimmer in Waldram kleiner oder größer vor, seit Sie aus New York zurück sind?

Gregor Mayrhofer: Derzeit ist es mit Kisten voller Noten zugestellt. Aber im Vergleich zu meinem New Yorker Zimmer ist es groß. In Manhattan habe ich direkt neben der Juilliard School gewohnt, im 24. Stock: Bett, Schreibtisch, Schrank, Notenregal - mehr Platz war nicht. Aber ich mag es so reduziert, ich liebe die Konzentration: Es gibt nur das Arbeiten, nur die Musik.

Vielleicht mal eine Pause?

Das schon. Ich brauche auch den Kontakt zur Natur - deshalb genieße ich immer die Zeit in Waldram. In New York bin ich oft nachts um zwei Uhr durch den Central Park gelaufen. Wenn nichts mehr funktioniert, wenn man ein Loch im Kopf hat, eine Krise - dann nichts wie raus! Um zwei Uhr nachts herrscht im Central Park sogar tendenziell so etwas wie Ruhe - herrlich.

Woran haben Sie Tag und Nacht gearbeitet?

In der Dirigierklasse mussten wir jede Woche zwei Sinfonien vorbereiten. Die Hauptarbeit bestand also darin, Partituren zu studieren. Zugleich habe ich nahezu alle Proben und Aufführungen der New Yorker Philharmoniker gesehen. Dabei lernt man unglaublich viel. Allein, was an Orchester-Klang alles möglich ist!

Wie findet man bei einer solchen Fülle den eigenen Klang?

Am meisten lernt man über sich im Kontakt mit anderen. Ich hatte großes Glück mit all meinen Kollegen. Die tollsten Leute sind ja oft am interessiertesten und bodenständigsten. Alan Gilbert ist ein wunderbarer Mensch, er ist nicht nur ein brillanter Musiker, sondern will etwas weitergeben. Trotz seiner eigenen Karriere und Familie hat er sich immer Zeit für uns genommen. Wir fühlten uns fast wie ein Teil der Großfamilie, wenn seine eigenen Eltern, Frau und Kinder, Orchestermitglieder und wir Studenten in seinem Dirigierzimmer über die Musik oder die Weltsituation sprachen. Im ersten Jahr waren wir zu dritt in der Klasse, im zweiten zu viert. Auch da gab es keine Rivalitäten, dafür aber einen fruchtbaren Austausch. Wenn das gleiche Stück direkt hintereinander von zwei unterschiedlichen Leuten dirigiert wird, kann man verfolgen, wie ein Orchester dadurch sofort seine ganze Haltung, seinen Klang verändert. Der eine ist eher ein ruhiger, kontrollierter Typ, der andere risikofreudiger und energetischer.

Was für einer sind Sie?

Schon eher ein energetischer.

Sie haben in München, Paris und Düsseldorf studiert. Was war neu in New York?

New York ist wahnsinnig modern und grenzenlos, im Positiven wie im Negativen. Die Gleichzeitigkeit von dem, was sein kann, ästhetisch und zeitlich, das ist dort einzigartig. In New York bündelt sich das Verrücktsein, die Stadt strotzt vor Energie und Schaffenskraft, dem kann man sich nicht entziehen.

Zwei Jahre lang hat Gregor Mayrhofer bei Alan Gilbert an der Juilliard School in New York studiert. Nun ist er vorübergehend zurück in Bayern. (Foto: Luc Hossepied/oh)

Spiegeln sich diese Erfahrungen in Ihrer Musik wider?

Die Thematik der Masse hat mich in den letzten beiden Jahren sehr beeinflusst. Und die Frage nach Ruhe: In unserer schnellen Welt ist es oft schwer, diese Ruhe zum Hören auf die eigene innere Stimme zu finden. Jetzt mit dem Ende meines Studiums will ich mir dafür mehr Zeit nehmen. Ich schreibe eine Kinder-Oper, die im April in Hannover Uraufführung hat, und ein Stück für die Akademie der Berliner Philharmoniker. Wobei die nächsten Monate noch voller Dirigierprojekte sind: Anfang August leite ich ein kleines Festival in Spanien, dann geht es zum Lucerne-Festival und von dort zum Dirigier-Wettbewerb Besançon. Im Oktober bin ich dann wieder mit der Blutenburger Kammerphilharmonie und einem eigenen Stück in München.

Zunächst einmal haben Sie und Ihr Bruder Raphael aber die Loisachhalle in Wolfratshausen gebucht. Ihr Fanclub in der Heimat wächst offenbar kontinuierlich.

Auf diesen Imbrothersation-Abend freue ich mich seit langem. Das freie Improvisieren mit Raphi ist etwas ganz Besonderes für mich, die Vertrautheit zwischen uns, aber auch der Humor, unser Hang zum Absurden.

Vor einem Jahr lautete der Titel des Imbrothersation-Konzerts "A Bavarian in New York", heuer "Das Präludium schlägt zurück". Was ist Ihre Waffe?

Die Bandbreite. Es gibt ein paar Präludien, aber auch Star-Wars-Anklänge, Klassik und Jazz, ein bisschen Comedy, aber auch Momente, in denen die Musik einfach schön, einfach Musik sein darf. Wir hatten das Glück, in einem Elternhaus mit einer großen musikalischen Offenheit aufzuwachsen. Wir schauen, was uns Spaß macht und was uns an Blödsinn dazu einfällt.

Daran hat sich also nichts verändert, seit Sie und Ihr Bruder 2010 den Tassilo-Hauptpreis der SZ bekommen haben?

Das hat sich verschlimmert.

Facettenreich verspricht auch das "Bläserfest mit Cello" bei den Holzhauser Musiktagen zu werden.

Das Konzert für Cello und Blasorchester von Friedrich Gulda ist einfach irre: Die Ouvertüre ist eigentlich ein Funk, der zweite Satz eine Alpenromanze, im dritten darf der Cellist Wassily Gerassimez sich in einer Solo-Kadenz verausgaben, dann folgt ein scheinheiliges Menuett und das ganze endet mit Bierzeltmusik.

Klingt ein bisschen nach New York.

Ist das perfekte Stück für einen Bavarian in New York.

Sie bringen es mit dem Bläserensemble der Münchner Symphoniker auf die Bühne. Seit wann proben Sie?

Die Proben beginnen erst nächste Woche. Auch das ist wie in New York: Man hat nie viel Zeit, ein Stück einzustudieren.

Wie gehen Sie an die Sache ran?

Man muss versuchen, die Partitur im Kopf zu haben, um so genau wie möglich zu wissen, wie alles klingen soll. Dann gibt es die erste Probe und einem fallen 50 Dinge auf, die man gerne anders hätte. In diesem Fall arbeite ich mit Spitzenmusikern, das macht die Sache leichter, weil sie ganz vieles selbst lösen. Aber jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Dirigieren ist die Kunst, gute Kompromisse zu machen. Ich muss also schnell filtern: Worauf konzentriere ich mich. Drei, vier Dinge spreche ich an, zehn verbessern sich von selbst, zehn ändere ich übers Dirigieren. Und dann kommt natürlich noch die Psychologie ins Spiel: Woran liegt es, wenn etwas nicht klappt? Ein Orchester ist ein Mikroorganismus, der unsere Gesellschaft spiegelt. Die Frage ist: Wer führt? Wer entscheidet?

Tut das nicht der Dirigent?

Gilbert hat immer gesagt: Die rechte Hand ist keine Schlag-, sondern eine Zuhörhand. Und ein Dirigent ist kein Metronom. Er muss den Orchester-Organismus aufwecken, mit ihm spielen. Eine gute Führung nutzt die Intelligenz jedes einzelnen. Vielleicht muss ich an der ein oder anderen Stelle von meiner Position abrücken, aber dafür gewinne ich im Gesamten.

In Ammerland spielen Sie in einer Reithalle. Macht Ihnen das Sorgen?

Ich habe schon in Kirchenbaustellen, unter freiem Himmel und in einem leeren Schwimmbad gespielt. Von einer Nachhallzeit zwischen null und fünf Sekunden war alles dabei. Eine Reithalle - kein Problem, das passt doch perfekt zu dem verrückten Gulda.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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