Caritas Fachambulanzen:Selbsthilfe durch Empathie

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Die Caritas Fachambulanzen für Suchtkranke behandeln Abhängige aus dem Landkreis. In Geretsried und Bad Tölz bieten sie Gruppentherapien an

Von Leonard Scharfenberg, Geretsried/Bad Tölz

Grüne Wälder, blühende Wiesen und die neblig blaue Silhouette der Berge. Wer die paradiesische Landschaft des Voralpenlandes vor Augen hat, kann sich kaum vorstellen, dass es hier ernsthafte Probleme gibt. Doch die gibt es. Herbert Peters, Leiter der Caritas Fachambulanzen für Suchterkrankte in Bad Tölz und Geretsried, kennt viele davon. Denn hinter den Abhängigkeiten der von ihm behandelten Suchterkrankten stecken oft größere Themen.

Ungefähr 700 Menschen kommen jährlich in die Suchtambulanz - etwa die Hälfte davon freiwillig. Bei ihrer Gründung im Jahr 1997 waren es noch ungefähr 250. Trotzdem schätzt Peters, dass sich im Bereich der Alkoholabhängigen nur etwa zehn Prozent aller Suchtkranken in eine ambulante Therapie begeben.

Für mehr Menschen hätte die Caritas aber auch schlicht keine Kapazitäten. "Uns wird wohl nie die Arbeit ausgehen", sagt Peters dazu. 16 Vollzeitkräfte arbeiten momentan daran, Suchtkranken wieder ein unabhängiges Leben zu ermöglichen Der Grad des Erfolgs sei dabei nicht Angepasstheit, sondern Glück, erklärt Peters.

Im Geretsrieder Caritasgebäude finden die Sitzungen der Gruppentherapien für Drogenabhängige statt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Eine ambulante Suchttherapie ist eine langwierige Angelegenheit. Die 40 bis 80 Therapie-Einheiten sind über maximal ein Jahr verteilt. Neben begleitenden Einzelterminen mit einem "Bezugstherapeuten", wird vor allem in der Gruppe gearbeitet. Hier treffen Menschen mit unterschiedlich stark ausgeprägter Sucht zusammen, um über ihre Probleme zu reden. Oft sind nicht nur Alkoholiker sondern auch andere Drogenabhängige bei den Sitzungen dabei. Peters sieht das positiv. "Einer macht immer auf und erzählt von sich", berichtet er. Die anderen entwickelten dann Empathie und es werde gemeinsam nach Zielen und Lösungsansätzen gesucht, um demjenigen zu helfen. Dabei sei es völlig gleich, von welcher Substanz der Mensch abhängig ist. "Eine Sucht verläuft immer ähnlich", berichtet Peters. Deshalb könne sich jeder in den Geschichten der anderen wiederfinden.

"Der Konsum einer Substanz ist immer Ausdruck eines tieferliegenden Problems", erklärt Peters. Die Ursache für eine Abhängigkeit könne sozialer oder psychologischer Natur sein. Manch einer scheitere an der Bewältigung eines in der Vergangenheit liegenden Ereignisses; Andere an ihrer momentanen Lebenssituation. "Es folgt die Flucht in einen Selbstheilungsversuch durch den Konsum einer Droge", beschreibt Peters.

Das treffe Menschen in völlig verschiedenen Lebensrealitäten. "Das Muster bleibe gleich", sagt Peters. Nur die Stigmatisierung hänge immer noch stark von der Lebenssituation ab. So werde die Alkoholsucht eines angepassten Familienvaters eher bagatellisiert, während ein obdachloser Alkoholiker mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen habe. Peters ist jedoch zuversichtlich. Die Gesellschaft sei beim Thema Alkohol in den vergangenen Jahren viel sensibler geworden, sagt er. Es werde langsam akzeptiert, dass Alkoholsucht ein ernsthaftes Krankheitsbild ist.

Herbert Peters ist der Leiter der Caritas Fachambulanz für Suchtkranke. (Foto: Hartmut Pöstges)

Trotzdem kommen viele Alkoholiker erst spät zu einer Therapie. Die meisten Menschen fangen mit ungefähr 17 Jahren an zu trinken. "Eine Abhängigkeit fällt oft erst sehr spät auf", sagt Peters. Die Therapie werde deshalb hauptsächlich von 30- bis 50-Jährigen genutzt. In den Jugendgruppen der Suchtambulanz sei Alkohol dagegen eher selten ein Thema.

Zudem falle auch die Geschlechterverteilung in den Gruppen auf. Dass in der Caritas fast doppelt so viele Männer wie Frauen therapiert würden, führt Peters mitunter darauf zurück, dass es Frauen leichter falle über ihre Gefühle zu sprechen. Somit fielen sie seltener in eine Sucht.

Das Gespräch über die eigenen Gefühle und Probleme ist auch in einer Gruppentherapie unverzichtbar. Viele Teilnehmer bräuchten zwar Zeit sich zu öffnen, berichtet Peters. Doch es lohne sich. Manchmal bildeten sich sogar Freundschaften. Das sei ideal, weil so auch ein neues, bewusstes Umfeld geschaffen werde, erklärt er. Natürlich wirke die Gruppentherapie nicht bei jedem. "Wir befähigen die Menschen nur dazu, eine Entscheidung zu treffen", sagt Peters. Doch etwa zwei Drittel der Behandelten seien auch bei der Nachbesprechung nach fünf Jahren nicht rückfällig.

Viele Patienten nehmen nach ihrer Therapie an Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern teil. Manch ehemaliger Patient helfe sogar ehrenamtlich in der Suchtambulanz mit. Die Arbeit mit Drogenabhängigen sei - entgegen mancher Vermutung - nicht deprimierend, erklärt Peters. Ihm mache es Freude "mitzuhelfen statt mitzuleiden", sagt er. Es sei ein tolles Gefühl zu sehen: "Da tut sich was!"

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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