Bilderrätsel:Rückblick mit Weitblick

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Die Maria-Dank-Kapelle in Degerndorf erinnert die Bewohner an ein Ereignis im Zweiten Weltkrieg. Für Wanderer von überallher ist sie auch wegen ihrer Panoramalage eine Attraktion

Von Christa Gebhardt

Da kann der Ausschnitt noch so klein sein - Kenner sehen das auf einen Blick: Unser erster "Hingucker" in der gleichnamigen neuen Serie war ein Detail aus der Maria-Dank-Kapelle in Degerndorf. Zu sehen war das Jesuskind auf dem Schoß der Muttergottes, der zu Ehren diese Kapelle errichtet wurde.

Stille Menschen trifft man an diesem magischen Ort, dem auf 720 Metern Höhe gelegenen Aussichtspunkt auf dem Fürst-Tegernberg bei Degerndorf, der von der Maria-Dank-Kapelle gekrönt wird. Nicht nur der traumhafte Blick auf die Alpen und den Starnberger See zieht die Leute an, sondern auch die besondere Magie der Kapelle. Im Inneren liegt ein Gästebuch, in dem Männer, Frauen und Kinder an die Mutter Gottes schreiben. Manche bitten bei schwerer Krankheit um Genesung, andere hoffen mit Marias Hilfe wieder "ins Vertrauen" zu kommen, oder sie danken ihr einfach, für ihre Familien, für die Natur, für ihr gutes Leben.

Von der Stirnwand der Kapelle lächelt Besuchern Maria mit dem Jesuskind entgegen. Das Gemälde, eine Schenkung, stammt von Ly Dreher, einer freischaffenden Künstlerin aus Münsing, die auch viele Jahre lang als Kulturberichterstatterin für die SZ Wolfratshausen tätig war. Vermutlich malte sie das Bild im Jahr 1973. Damals ersetzte es eine etwa 1,50 Meter hohe Marienfigur, die ursprünglich von zwei großen Leuchtern aus Holz eingerahmt worden war. Die Leuchter wurden gestohlen, und die Marienfigur erhielt einen sicheren Platz im zuständigen Pfarramt. Ly Drehers Gemälde wurde fest in der Wand verankert, um es vor Dieben zu schützen.

Die Maria-Dank-Kapelle wurde von Degerndorfern gebaut und 1948 geweiht, weil die Mutter Gottes ihre schützende Hand während des Zweiten Weltkriegs über den Ort gehalten haben soll. Als 1944, am 17. Dezember, 180 alliierte Flieger die Münchner Innenstadt in Schutt und Asche legten, raste eine englische Lancaster, die auf dem Rückflug von der Münchner Flak getroffen worden war, als lodernder Feuerball auf Degerndorf zu. Die Maschine, die üppig mit flüssigem Phosphor und Brandbomben beladen war, explodierte in der Luft - nur wenige hundert Meter vom Dorf entfernt. Rund um die Höfe brannten die Felder lichterloh, am Himmel: glühender Phosphor. Aber kein Dorfbewohner wurde verletzt. Nicht einmal ein Dachziegel ging zu Bruch.

Von den sieben englischen Piloten überlebte nur einer. Er wurde von den Degerndorfern, entgegen den Anweisungen der Nazis, ärztlich versorgt, die toten Engländer begruben sie nach katholischen Riten auf ihrem Friedhof, statt sie, wie befohlen, einfach im Wald zu verscharren. Als die US-Amerikaner in den Landkreis kamen, erfuhren sie von dem Vorfall, dem respektvollen Umgang mit den Leichen und dem überlebenden Kriegsgefangenen. Aus Dank dafür verschonten sie Degerndorf und gaben den ausdrücklichen Befehl, es nicht zu plündern. Ein weiteres Mal wurde das Dorf verschont.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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