Bevölkerungsprognose:Der süße Schmerz des Wachsens

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Kinder machen es vor: Da muss man durch

Von David Costanzo

Wer kleine Kinder hat, muss es immer wieder mit ansehen: Wachsen ist schön, kann aber auch ganz schön wehtun. Endlich reichen die Hände bis zum Regal mit der Schokolade, doch manchmal ist den Kleinen einfach nur zum Heulen zumute. Es ist ein süßer Schmerz. Mit dem Wachstum von Städten und Gemeinden verhält es sich ähnlich: Der Zuzug hält die Bevölkerung jung oder lässt sie zumindest langsamer altern. Er bringt neue Köpfe, Ideen, Kinder und dank guter Ausbildung und Jobs oft viel Kaufkraft in eine Region - kurz: die Zukunft. Wie schön. Gleichzeitig schmerzen die immer mehr Menschen die Städte und Gemeinden - vor allem deren Kämmerer. Denn neue Bürger wollen wohnen, müssen sich bewegen, ihre Kinder zur Schule schicken. Das alles kostet Geld, viel Geld, das sich nicht binnen einer Wahlperiode auszahlt. Und dann sind da noch die Alteingesessenen, die verständlicherweise um ihr Idyll fürchten und die S-Bahn lieber dort und die Autos lieber da fahren lassen würden. Und diese lauten Kindergärten erst.

Es gibt aber nur eine Lösung - und die Kinder machen sie vor: Da muss man durch. Eine Stadt muss mit dem Zuzug wachsen. Was passiert, wenn eine Gemeinde Bauland hat, aber nicht ausweist, lässt sich überall beobachten: Der Zuzug findet trotzdem statt - dann verdrängen die Neuen die Alten, dann kaufen die Reichen die nicht ganz so Reichen einfach raus. Heimat? Ist das nicht mehr.

Es braucht darum auch im Landkreis nicht nur Wohnungsbau, sondern sozialer Wohnungsbau. Das Problem ist vielschichtig - und es wird nicht ohne mehr Geld des reichen Freistaats und der reichen Landeshauptstadt gehen, wenn im Umland der Wohnraum für die Münchner Steuerzahler geschaffen werden sollen. Es braucht deren Geld auch für einen Ausbau von Schienen und Straßen - aber vor allem für den umweltfreundlichen Nahverkehr. Es braucht Investoren, die vor Ort nach menschlichem Maß bauen. Es braucht aber auch Naturschützer, die nicht gleich in die Luft gehen, wenn vier Quadratmeter Flora-Fauna-Habitat weichen müssen. Und es braucht Politiker, die einen gerechten Ausgleich schaffen und ihn den Menschen erklären können.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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