Bauen im Oberland:"Bisserl eine Linie"

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Nach kontroverser Debatte stimmt der Kreistag für eine Teilnahme am EU-Leader-Projekt "Baukultur Voralpenland"

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es war eine kontroverse Diskussion und die Abstimmung mit 30 Ja- und 23-Nein-Stimmen knapp. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wird sich am EU-Leader-Projekt "Baukulturregion Voralpenland" beteiligen - obschon nur die Gemeinde Dietramszell Interesse an einer Teilnahme bekundet. Dieser Punkt und die Tatsache, dass die Planungshoheit beim Bauen bei den Städten und Gemeinden liegt und nicht beim Landkreis, führte zu einem heftigen Schlagabtausch am Mittwoch im Kreistag.

Der Kreisausschuss hatte im Juli die Teilnahme am Leader-Projekt gebilligt. 20 000 Euro kostet dies. Ziel ist es, die regionstypische Baukultur zu erhalten und für moderne Architektur zu werben, die in die Landschaft passt. Dazu sollen Entscheider und Bürger sensibilisiert werden.

Am Ende des Prozesses steht eine gemeinsame Baukulturstrategie für die Region. Als teilnehmende Gemeinde wird Dietramszell ein halbes Jahr lang von Fachbüros betreut. Im Landratsamt ist Kreisbaumeister Andreas Hainz der Ansprechpartner.

Hainz betonte in der Sitzung, dass die Kommunen von den "absoluten Profis" durch die Teilnahme ein Werkzeug an die Hand bekämen, das ihnen die bauliche Entwicklung ihres Ortes erleichtert. "Doch leider bekommt es nur Dietramszell." Von den 21 Kommunen im Landkreis hätten 19 eine Ortsgestaltungssatzung. "Trotzdem müssen die Gemeinden Bausünden genehmigen", sagte der Kreisbaumeister, wenn die Anträge konform mit den Vorschriften gingen. Auch Bürgermeistersprecher Michael Grasl (Freie Wähler) versuchte das Gremium zu überzeugen. Er wolle für das Thema werben, denn es gebe viele unschöne Bauvorhaben im Landkreis wie schweinchenrosafarbene Toskana-Villen. Das Leader-Projekt wolle das Bewusstsein fürs Bauen wecken. Auch wenn sich seine Gemeinde nicht daran beteiligen werde, sagte der Münsinger Bürgermeister. In Münsing gebe es den Rahmenplan, mit dem man viel erreicht habe. Solche Instrumente würden Investoren fürchten, wenn sie denn juristisch haltbar seien.

Bei diesem Punkt hakte Michael Müller (CSU) ein. Er habe nichts gegen Leitkulturen. Doch die Baukulturstrategie, die am Ende des Prozesses stehe, habe keinerlei rechtliche Verbindlichkeit für Bauherren. Außerdem sei es nicht die Aufgabe des Landkreises, Baurichtlinien zu erarbeiten, denn dies sei die Aufgabe von Städten und Gemeinden. "Warum sollen wir das über den Kreishaushalt finanzieren?", fragte er.

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) entgegnete, mehrere Gemeinden hätten sich für das Projekt interessiert. In der Bürgermeisterdienstbesprechung sei der Tenor "Bitte macht das" gewesen. Diese Erinnerung teilt Werner Weindl (CSU) nicht. Es sollte eine Umfrage unter den Kommunen gemacht werden, wer teilnehmen möchte. Ansonsten halte er eine solche Baukulturstrategie für ein stumpfes Schwert. Vielmehr bräuchten Städte und Gemeinden ein Instrument an der Hand, das vor Gericht standhält. "Etwas, womit die Planungshoheit der Gemeinde durchgesetzt werden kann." Ansonsten könne man keinen zwingen, so zu bauen, "wie wir es wollen". Stefan Fadinger (CSU) aus Gaißach hob hervor, dass ursprünglich sechs Gemeinden sich für das Projekt interessiert hatten, letztlich aber nur eine partizipieren möchte. Der Bedarf scheine nicht gegeben. Sollte es sich eine Kommune anders überlegen, könne der Stadt- oder Gemeinderat dies selbst entscheiden.

Die Kooperation mit den Fachbüros könne dazu führen, dass die auf tönernen Füßen stehenden Ortsgestaltungssatzungen "rechtssicher" würden, argumentierte Niedermaier. Für Dietramszell erklärte Michael Häsch (CSU), warum der Ort mitmachen möchte. Die Gemeinde verspüre einen ungeheuren Druck im Bausektor. Viele Architekten kämen von auswärts mit Vorstellungen von Gebäuden, die nicht zum Ortsbild passen. Dietramszell würde es guttun, einen Leitfaden zu erarbeiten, wo etwa eine Aufstockung oder Verdichtung im Gemeindebereich verträglich sei. Es gehe darum, weg von einer "herzlosen" Architektur, die man nicht anschauen könne, zu kommen. Aber dafür brauche es "bisserl eine Linie" Die Mehrheit im Kreistag sah es ebenso.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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