Bad Tölz:"Lesben lieben sich und streiten"

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Uta Jacobi hat sich früh zu ihrer Homosexualität bekannt. In Bad Tölz hat die 48-Jährige nie richtige Anfeindungen erlebt. Mit dem Verein "SchuTz" will sie zeigen, dass es auch im Oberland eine Szene gibt

Interview von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz

20 Jahre ist der Verein SchuTz, Schwule und Lesben in Tölz und im Oberland e. V., alt. Groß gefeiert wird dies von diesem Freitag an in der Kurstadt. Mitorganisatorin ist Uta Jacobi. Die 48-Jährige ist bekennende Lesbe. Mit der SZ sprach sie über ihr Coming-out, ihre persönlichen Erfahrungen und die Arbeit im Verein.

SZ: Frau Jacobi, ist die Bezeichnung Lesbe politisch korrekt?

Uta Jacobi: Ich würde sagen: Ja. Die Begriffe "lesbisch" oder "schwul" haben sich von Schimpfwörtern weitgehend zu Eigenbegriffen entwickelt. Lesben haben dieses Wort für sich okkupiert und damit positiv besetzt. Für mich ist es in Ordnung, als Lesbe bezeichnet zu werden.

Wann war Ihr Coming-out?

Vergleichsweise spät. Von 1990 an, mit 23, 24 Jahren, habe ich in Trier Germanistik, Japanologie und Philosophie studiert. Dort lernte ich meine erste Partnerin kennen und habe mich sofort geoutet. Bis dahin hatte ich meine sexuelle Präferenz für mich behalten.

Sie hatten davor keine Beziehung zu einer Frau?

Nein, ich war zu schüchtern und hatte auch keine Vorbilder. Natürlich war ich mal in eine Lehrerin oder eine Mitschülerin in den höheren Klassen verliebt. Aber gelebt habe ich nicht als Lesbe.

Wann haben Sie erkannt, dass Sie auf Frauen stehen?

Spätestens von dem Zeitpunkt an, als Geschlecht allgemein für mich interessant wurde. Das habe ich mit zwölf Jahren gewusst. Von da an haben mich stets Frauen interessiert.

Hatten Sie auch einen Mann als Partner?

Ich hatte mit 20 für kurze Zeit einen Freund. Ich wollte es halt wissen. Doch ich stellte schnell fest, dass die Beziehung zu einem Mann wirklich nicht mein Ding ist.

Sie sagten, Ihnen hätten die Vorbilder gefehlt, eine gleichgeschlechtliche Beziehung zu leben. Wie sind Sie in das "Lesbe sein" reingewachsen?

Völlig unkompliziert, wenn ich darüber nachdenke. Ich war in der Hinsicht auf einen Schlag sehr selbstbewusst. Als ich mich damals in Trier verliebt habe, habe ich mich in meiner Familie und bei meinen Freundinnen sofort geoutet. Sie haben alle überraschend entspannt reagiert.

Das klingt einfach.

Ja, die Uni hat es mir leicht gemacht. Das ist ein sehr freies Umfeld. Zudem gab es das Frauen/Lesben-Referat an der Uni. Das heißt, Frauen und deren Forderungen waren an dieser Institution sichtbar. Außerdem gab es in Trier ein Frauenzentrum, das regelmäßig Frauen- und Lesbenpartys veranstaltete. Es war also alles recht unkompliziert. Die Professorinnen und Professoren, selbst die konservativeren, haben sich nicht dafür interessiert, wie man privat lebte.

Welche Erfahrungen haben Sie im Landkreis gemacht? Wie sind Sie zum Verein SchuTz gekommen?

Ende der 90er-Jahre bin ich mit meiner zweiten Freundin und Lebensgefährtin hierher gezogen. Nicht gleich nach Bad Tölz, sondern in ein Dorf weiter südlich. Wir haben dort als zwei Frauen mit einem Kind gelebt. Es gab keinerlei Probleme. Beim Vermieter haben wir uns sofort geoutet, damit erst gar kein blödes Gerede aufkommen konnte. Das war alles herzlich und offen. Später hatte ich eine Freundin in München. Ich war mehr dort unterwegs, das Leben in Bad Tölz lief so nebenbei. Als diese Beziehung 2007 endete, dachte ich mir, ich möchte jetzt in Tölz ankommen. Ich bin irgendwann zum Stammtisch des Vereins gegangen. Es hat mir dort gefallen, das Eis war gebrochen. Bei den Vorstandwahlen 2010 habe ich mich bereit erklärt, als Schriftführerin zu kandidieren.

Also haben Sie keine schlechten Erfahrungen im katholischen Oberbayern gemacht?

Nein, ich hatte allerdings auch nie Vorbehalte gegenüber Bayern. Ich habe mir nicht darüber den Kopf zerbrochen, dass der Freistaat tatsächlich so reaktionär sein könnte, wie man ihm nachsagt. Daher war ich persönlich nicht überrascht, gut aufgenommen zu werden, dafür aber angetan.

Sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen - das ist vermutlich die beste Herangehensweise.

Ja, das sage ich allen, die sich nicht trauen, öffentlich aufzutreten: Nicht lange nachdenken, einfach machen. Positiv gestimmt das eigene Leben zu leben, ist aus meiner Erfahrung der beste Weg.

Sie leben gerne in Bad Tölz?

Ja. Ich habe nie richtige Anfeindungen erlebt, vielleicht den ein oder anderen blöden Spruch. Fakt ist: Ich definiere mich nicht zu 100 Prozent über meine sexuelle Präferenz. Ich fühle mich mehr als Feministin denn als Lesbe.

Uta Jacobi lebt offen als Lesbe in Bad Tölz. Seit vielen Jahren engagiert sich die 48-Jährige im Verein SchuTz, für Schwule und Lesben im Oberland. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ob in Filmen, Theaterstücken oder Büchern - es gehört quasi zum guten Ton, dass Schwule eine Rolle spielen. Bei Lesben ist das nach wie vor anders?

Das hat damit zu tun, dass Schwule eben Männer sind und damit immer noch einen anderen Status in der Gesellschaft genießen als Frauen.

Das gilt Ihrer Meinung nach auch für den Bereich der Homosexualität? Dass es auch dort keine Gleichberechtigung unter den Geschlechtern gibt?

Ja. An der Uni Trier habe ich mich intensiv mit feministischer Linguistik beschäftigt, das treibt mich heute noch um. Wenn in einem Chor 99 Frauen und ein Mann singen, dann wird von 100 Sängern gesprochen. Die Sängerinnen verschwinden in unserer Sprache. Egal, ob die Männer hetero- oder homosexuell sind, sie dominieren. Lesben sind nach wie vor nicht so sichtbar wie Schwule. Da reicht ein Blick in Zeitungen oder ins Fernsehen.

Wie stabil oder einfach sind Beziehungen unter Lesben?

Ich würde sagen, so stabil und einfach wie jede andere Beziehung. Lesben lieben sich und streiten, diskutieren über Kindererziehung. Ich mag etwaige Unterschiede gar nicht herausstellen, weil das wiederum Klischees befördert.

Was wollen Sie mit dem SchuTz e. V. erreichen?

Ursprünglich war der Verein dazu gedacht, schwulen Männern eine Anlaufstelle zu bieten, vor allem in den 90er-Jahren, als Aids noch ein großes Thema war. Es kamen aber von Anfang an auch Lesben zum Stammtisch. 2002 wurde deshalb der Name des Vereins um die "Lesben" erweitert. Heute - und speziell mit der Feier am Wochenende - wollen wir Schwule und Lesben uns sichtbar machen. Homosexuelle gibt es auch auf dem Land und nicht nur in der Großstadt. Wir wollen der Bevölkerung zeigen, dass es eine Infrastruktur in Bad Tölz und im Oberland gibt und dass Lesben und Schwule eben nicht nur in der Münchner Szene leben.

Engagieren sich viele Schwule und Lesben im Verein?

Wir haben derzeit etwa 40 Mitglieder. Es gibt allerdings wesentlich mehr Schwule und Lesben im Umland, als in unserem Verein auftauchen. Besonders Lesben zögern, zu den Stammtischen zu kommen. Bei den Männern tauchen allerdings immer mal wieder neue und auch junge Gesichter auf, die dann regelmäßig an den Treffen teilnehmen.

Die Männer haben es also doch irgendwie leichter?

Ich weiß nicht. Lesben bleiben anscheinend lieber unter sich, sie besuchen nicht gerne gemischte Vereine. Das hängt sicherlich mit der Frauenbewegung zusammen. Innerhalb dieser war es Lesben wichtig, sich eigene Räume zu schaffen, sich auf ihre Bedürfnisse zu konzentrieren. Raus zu kommen aus der Männerwelt, den Vorgaben des Patriarchats und der heterosexuellen Strukturen. Auch mir geht es manchmal so, wenn ich mit meinen schwulen Freunden zusammensitze, dass ich als Frau schlichtweg übergangen werde.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Ich saß mit fünf, sechs Männern zusammen, und die reden von "die Herren hier am Tisch". Hallo, das nervt schon, aber ich sage das dann auch. Ich denke, Lesben sind grundsätzlich sehr sensibel und weniger gewillt, so etwas hinzunehmen als vielleicht Hetero-Frauen.

Sie haben zum 20-jährigen Bestehen des Vereins ein großes Programm zusammengestellt mit einer Tölzer Street-Day-Parade, einer Lesung und vielem mehr. Hatten Sie Probleme bei der Organisation?

Nein, wir sind der Stadt und allen Verantwortlichen sehr dankbar, dass alles völlig unkompliziert ablief, als wir unsere Ideen vorstellten. Vom Bürgermeister über die Stadtverwaltung bis zum Landratsamt klappte alles. Wir möchten dieses Fest ja nicht nur für uns feiern, sondern mit allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Unser großer Wunsch wäre es für die Parade, dass die Hausbesitzerinnen und -besitzer entlang der Markt-, Bad-, Ludwig-, Herder- und Schützenstraße beflaggen - entweder blau-weiße Fahnen oder die Tölzer Stadtfarben Schwarz und Gelb. Das schönste wären natürlich Regenbogenfahnen.

© SZ vom 31.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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