Gut für die Azubis, sie können sich die Lehrstellen fast schon aussuchen. Schlecht für die Unternehmen, ihnen fehlt der Nachwuchs: So lautet die Abschlussbilanz zum Ausbildungsmarkt 2015 der Agentur für Arbeit. Ganze 113 Lehrstellen konnten die Vermittler im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nicht besetzen. Dagegen haben nur sechs Jugendliche noch keine passende Stelle gefunden. 642 junge Bewerber hatten sich bis zum Beginn des Ausbildungsjahres im September bei der Agentur für Arbeit gemeldet - fast alle konnten also in einen Betrieb wechseln.
Den Unternehmen fehlen mittlerweile schlichtweg die Bewerber. "Für die Firmen verschärft sich das Problem. Der ein oder andere Betrieb ging heuer wieder leer aus", sagt die Leiterin der Agentur für Arbeit Rosenheim, Nicole Cujai. "Wir wissen und verstehen auch, dass jeder Betrieb gerne einen passenden Bewerber möchte. Die demografische Entwicklung macht sich jetzt aber auch in der Region bemerkbar, denn immer weniger Jugendliche verlassen die Schule."
Zudem entschieden sich immer mehr Schüler für eine weiterführende Schulausbildung oder ein Studium. Für diejenigen, die eine Ausbildung anstreben, werde von den Betrieben im Landkreis ein breites Spektrum an Ausbildungsstellen angeboten. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die kaufmännischen Berufe. Diese stünden auf der Beliebtheitsskala der Lehrstellensuchenden ganz oben. Während in der Top-Ten-Liste der männlichen Bewerber der Kaufmann im Einzelhandel auf Platz eins steht, bewarb sich die Mehrheit der Bewerberinnen für die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten. Auf Platz zwei, mit 27 der insgesamt 378 männlichen Bewerber, findet sich der Beruf des Kfz-Mechatronikers. 20 der insgesamt 264 Bewerberinnen wollten einen Ausbildungsplatz zur Industriekauffrau, womit dieser Beruf der zweitbeliebteste im Ranking der weiblichen Bewerber ist.
Laut Cujai stelle sich die Situation für junge Menschen besonders positiv dar, die genau wüssten, welche Beruf e sie erlenen wollten und auch die entsprechenden schulischen Voraussetzungen mitbringen.
Um die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen zu minimieren rät die Leiterin der Agentur den Ausbildungsbetrieben, sich mit den Modalitäten für ein Duales Studium auseinanderzusetzen: "Vielleicht bekommen sie mit dieser Ausbildungsvariante einen Top-Bewerber." Die Betriebe, die ohne Azubi blieben, könnten aber auch schulisch schwächere Bewerber, Ältere oder Flüchtlinge berücksichtigen, um ein Leerbleiben der Stellen zu vermeiden. Um die Anforderungen der Berufsschulen meistern zu können, seien vor allem Deutschkenntnisse wichtig. Unter den insgesamt 3357 Bewerbern im Agenturbezirk Rosenheim, zu dem auch der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zählt, haben sich 479 Jugendlichen mit ausländischer Nationalität für die Vermittlung um eine Ausbildungsstelle registrieren lassen.
In diesem Jahr haben vor allem auch junge Menschen eine Chance bekommen , bei denen der Übertritt in eine weiterführende Schule fehlgeschlagen sei, die aber die notwendigen sozialen Kompetenzen mitbrächten.
Besonders viele Stellen blieben im Bereich der Ernährungsberufe unbesetzt. Hierzu zählen Ausbildungen wie Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk, in Bäckereien oder Metzgereien, Fleischer oder Koch. Allein 39 der 113 unbesetzten Stellen kommen aus diesem Bereich. Aber auch für Ausbildungsplätze zum Augenoptiker fand sich bisher kein Azubi.
Über die Lage am gesamten Arbeitsmarkt könne auch die Arbeitsagentur Rosenheim im Oktober nur gute Daten veröffentlichen, so die Leiterin. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sind derzeit 1546 Arbeitslose registriert, 85 weniger als im September - der niedrigste Stand heuer. Damit verringert sich die Arbeitslosenquote von 2,5 auf 2,3 Prozent.