Ausstellung am Starnberger See:Spannende Metamorphosen

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Die Künstlerin Ingrid Sidow-Sum zeigt im Marstall in Berg einen Rückblick auf ihr Werk

Von Katja Sebald, Berg

"Ich wollte es noch einmal wissen", sagt die Künstlerin Ingrid Sidow-Sum aus Pöcking. Ihre aktuelle Ausstellung im Berger Marstall hat sie mit "Rückschau" überschrieben: Es ist eine sorgfältig arrangierte Retrospektive auf fast 60 Jahre künstlerische Arbeit. Die Eröffnung findet an diesem Sonntag um 12 Uhr statt, danach ist die Ausstellung eine Woche lang zu sehen.

Dieses Werk zeigt "Figuren auf Irrgängen". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ingrid Sidow-Sum ist vor allem für ihre eigenwilligen Terrakottafiguren bekannt, die sie alljährlich im Rahmen der "Offenen Ateliers" in ihrem Pöckinger Garten zeigte. Diese Figuren bestehen aus mehreren Teilen, die übereinander auf einen dünnen Metallstab gesteckt werden. Die meisten stellen geheimnisvolle Metamorphosen aus Mensch und Tier dar. Aus ihren Körpern wachsen Vogelköpfe, zuweilen auch Blätter und Äste, manche gleichen Gestirnen oder titanengroßen Insekten. Einige dieser "Archetypen" scheinen in direkter Verbindung zum Himmel zu stehen, andere wirken, als wären sie fest in der Erde verwurzelt oder würden sich gerade wie Daphne in einen Baum verwandeln.

In Berg nun hat sich dieses wundersame Personal aus geflügelten Frauen, hundeköpfigen, doppelgesichtigen oder gehörnten Schutzgöttern und Fabelwesen dort versammelt, wo es nach Ansicht ihrer Schöpferin eigentlich hingehört: vor den Bildern. Plastisches Arbeiten und Malerei haben sich im Werk von Ingrid Sidow-Sum im Lauf der Jahre parallel entwickelt, bedingen sich aber stets gegenseitig. Manche der im quadratischen Format angelegten Kompositionen entstand zunächst als Hintergrund für eine bestimmte Figur, manche der Figuren wiederum wurde eigens als Vorlage für ein Bild geschaffen.

Die Künstlerin Sidow-Sum mit zwei ihrer Werke. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gemälde entwickeln sich erst während des Malprozesses. Die Künstlerin sagt: "Ich möchte mich auch selbst überraschen." Sie beginnt damit, Farbschichten durch Spritzen, Tropfen und Schütten aufzutragen, dann entstehen nach und nach durch ihr ordnendes Zutun - oder vielmehr Wegnehmen - Figuren oder Strukturen, die in labyrinthartig verschlungenen Beziehungen zueinander stehen. Und manchmal taucht dann mitten in einem Bild der Umriss oder auch nur der Schatten einer Terrakottaplastik auf, die gerade noch vor dem Bild stand. Längst lassen sich in diesem spannenden Wechselspiel keine scharfen Grenzen mehr ziehen.

Zur Terrakottaplastik fand Ingrid Sidow-Sum auf mehr oder weniger autodidaktischem Weg. Sie formte zunächst Vasen und Gefäße, die immer größer wurden und sich gleichsam zu Lebewesen entwickelten. Ausgesprochen reizvolle und auf bezaubernde Weise unprätentiöse Kleinplastiken entstehen noch heute, indem sie Vasenformen einschneidet, durchbricht, ausfaltet oder reliefartig ergänzt.

Mit den jüngsten Arbeiten aber schließt sich für Ingrid Sidow-Sum ein Kreis im eigenen Schaffen: Am Anfang der Ausstellung zeigt sie kleinformatige Radierungen und Holzschnitte, die noch während ihrer Studienzeit als Illustrationen entstanden. Aus den 1980er Jahren stammen surreal anmutende Collagen, deren Motive sie aus zerschnittenen Illustrierten zusammensetzte. Ganz aktuell arbeitet Sidow-Sum mit Fotografien ihrer eigenen Arbeiten, die sie ebenfalls zerschneidet, übermalt, aufklappt und zu kleinen Collagen fügt - als ob sie ihr eigenes Schaffen resümiert.

Ingrid Sidow-Sum wurde in Mährisch-Schönberg geboren. Anfang der 1960er Jahre studierte sie bei Hermann Kaspar an der Münchner Kunstakademie. Seit vielen Jahren lebt sie als freischaffende Künstlerin in Pöcking. Sie ist unter anderem Mitglied im "Künstlerkreis Ammersee". Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, allein zehn Mal in der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst.

"Rückschau": 26. Januar bis 2. Februar im Marstall in Berg, täglich von 15 bis 18 Uhr

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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