Ateliertage:Erinnerung und Hommage

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Gerd Jäger ist im Sommer gestorben, jetzt öffnen seine Söhne sein Atelier in Farchach. (Foto: Georgine Treybal)

Die Werkstatt des verstorbenen Holzbildhauers Gerd Jäger wird noch einmal geöffnet

Von Katja Sebald

Es ist Herbst. Es sind Ateliertage am Ostufer des Starnberger Sees. Es ist alles wie immer. Und doch ist es anders: Die Künstlergruppe, die seit mehr als dreißig Jahren im Herbst ihre Ateliers und Werkstätten für Besucher öffnet, hat innerhalb kürzester Zeit drei ihrer langjährigen Mitglieder verloren. Schon 2018 fehlte mit Hannelore Jüterbock die legendäre Erfinderin der Ateliertage, in diesem Sommer sind nun Sophia Hößle und Gerd Jäger verstorben. Das gemeinsame Thema aller ausstellenden Künstler lautet diesmal "kreuz und quer": Man kann es geografisch verstehen, denn die Fahrten zwischen den verschiedenen Stationen sind nun länger geworden. Man kann es als eine Art Arbeitsanleitung für die gezeigten Arbeiten interpretieren. Man könnte es aber auch als Beschreibung einer Gefühlslage deuten.

Der Holzbildhauer Gerd Jäger war im Juli noch bei der Aufnahme des Gruppenfotos dabei, das nun auf dem Flyer abgebildet ist. Sein Atelier in Farchach sieht immer noch so aus, als könnte der Künstler jeden Moment hereinkommen und weiter arbeiten. Seine beiden Söhne werden es nun noch einmal für Besucher öffnen und in einer Gedächtnisausstellung Arbeiten aus allen Schaffensperioden, darunter auch zahlreiche Bilder und die Eisenassemblagen aus den frühen Jahren, zeigen.

Ebenfalls in Farchach, genauer gesagt "auf der Lüften", befindet sich das bezaubernde hölzerne Dachatelier von Dazze Kammerl. Auch er gehört zum Urgestein der Ateliertage und zeigt einige kunstvolle Fotografien, für die ihm Gerd Jäger in den Achtzigerjahren Modell stand. Daneben aber gibt es eine ganze Reihe neuer Papierarbeiten. Sie entstehen in einem höchst interessanten Verfahren, bei dem Abklatsch-, Druck- und Zeichentechniken "kreuz und quer" gemischt werden. Aus zunächst abstrakten farbigen Strukturen arbeitet der Künstler nach und nach Motive heraus, die an Unterwasserwelten, an Landschaften und zuweilen auch an Figürliches erinnern.

In Aufkirchen befindet sich das Doppelatelier des Künstlerpaars Juschi Bannaski und Roman Woerndl. Bannaski hat derzeit eine große Ausstellung in Issing, deshalb zeigt sie in ihren Arbeitsräumen auch ältere Arbeiten und eine Vielzahl kleiner Zeichnungen. Sehr erfreulich ist das Wiedersehen mit ihren Bildern aus früheren Jahren, die im Gegensatz zu den aktuellen Hinterglasbildern im meist großen Format und auf Leinwand entstanden: Sie haben nichts von ihrem farbsatten Zauber verloren. Mit der Leuchtkraft der "Gelben Welt" hinter Glas freilich können sie nicht mithalten, ebenso wenig mit den höchst subtilen und oftmals winzigen Zeichnungen, die Bannaksi bei der Hinterglasmalerei inmitten von dichten Farbschichten aufscheinen lässt. Schönes und Schmerzvolles verbindet sich in diesen Bildwelten auf anrührende Weise. So ist es kein Wunder, dass Roman Woerndl seine Guckkästen zum Um-die-Ecke-Schauen so platziert hat, dass sie überraschende Blicke auf die Werke seiner Frau ermöglichen. Außerdem zeigt er zwei interaktive Objekte im Freien sowie eine neue Videoarbeit, für die er Fotos von früheren Arbeiten "kreuz und quer" montiert hat.

Lucie Plaschka öffnet ihre Ateliertür wie immer am Klosterweg in Aufkirchen. Auch sie zeigt ältere und neuere Arbeiten, wie immer verarbeitet sie ihre Materialien auf ungewöhnliche Weise. So legte sie eine Ameisenstraße "kreuz und quer" über ein morbide anmutendes Papier; um größtmögliche Plastizität für die einzeln gezeichneten Ameisen zu erzielen, verwendete sie dafür eine transparente Folie. Eine ganze Reihe von Objekten entstand aus den alten Patiencekarten ihrer Großmutter und ihrer Mutter, die sie übermalt und gefaltet hat. Und wie auf einer Arche Noah, jedoch nicht wohlgeordnet, sondern zu einem großen Knäuel "kreuz und quer" verwoben finden sich Menschen und Tiere, Nacktes und Pelziges, Merkwürdiges und Heiteres in der Tuschezeichnung mit dem Titel "Menschheit".

Das originellste Künstleratelier aber befindet sich Allmannshausen, wo der Holzbildhauer Hans Panschar in einem alten Stall arbeitet. Zwischen Werkzeugen und Arbeitstischen fügen sich die wundersam erzählerischen Objekte zu einem "Suchspiel". Es gibt staksige Stuhlstelen und Treibholzschiffe, außerdem Hausskulpturen und ganze Häuserblocks, schlank aufragende Hochhäuser und ein "Milchhäusl". Das Thema "kreuz und quer" aber hat Panschar nicht mit der Anordnung seiner Objekte, sondern mit einer Reihe minimalistischer Zeichnungen von Scheunen und Häusern auf den morbiden Brettern eines abgerissenen Stadels umgesetzt. Sie sind eine respektvolle Hommage an das ursprüngliche Gebäude, das neben seiner Werkstatt stand.

Die Ateliers sind am 12., 13., 19. und 20. Oktober jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet (Lageplan unter www-atelier-tage.de). Nur am zweiten Ausstellungswochenende öffnet der Fotograf Andreas Huber sein Atelier in Aufhausen. Bis dahin ist er "kreuz und quer" in den anderen Ateliers unterwegs und macht Aufnahmen für sein Fotoprojekt #kreuzundquer. Als Gäste stellen dann bei ihm Susanne Polewsky und Karin Schmitz aus. Als Gastausstellerin öffnet nur am ersten Wochenende Simone Opdahl ihr Atelier auf der Maxhöhe.

© SZ vom 12.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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