Theo Peter im Gespräch:"Die Mitte verdient eine Vielfalt von Ideen"

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An der neuen Münsinger Ortsmitte scheiden sich die Geister. Nun fordert Architektur-Vordenker Theo Peter einen Wettbewerb über die beste Gestaltung des Pallaufhof-Areals.

Bernhard Lohr

Die neue Münsinger Ortsmitte soll ein großer Wurf werden. Schließlich hat die Gemeinde seit dem Kauf des Pallaufhofs alle Karten in der Hand. Doch die Geister scheiden sich an der Frage, was aus den wertvollen Flächen gemacht werden und wie die Gemeinde vorgehen soll. Als Bürgermeister Michael Grasl kürzlich einen Rahmenplan vorstellte, gab es viele kritische Fragen. Der Münsinger Theo Peter entwickelt mit seinem Bauzeit-Netzwerk innovative Wohnformen und hat dafür viele Preise erhalten. Soeben bekam er den "Deutschen Bauherrenpreis 2011/2012" verliehen. Die SZ sprach mit ihm über Münsinger Chancen und mögliche Fehlentwicklungen.

Architektur-Vordenker Theo Peter fordert einen Wettbewerb über die beste Gestaltung des Münsinger Pallaufhof-Areals. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Bürgermeister spricht bei der Entwicklung des Pallaufhofs viel von Bürgerbeteiligung. War die Veranstaltung am Dienstag in dieser Hinsicht ein Erfolg?

Sie hat Unsicherheit geschaffen, was Bürgerbeteiligung in letzter Konsequenz bedeutet.

Wieso das?

Weil die Frage der Bürger diesbezüglich sehr ausweichend beantwortet worden ist.

Aber es hieß doch, mit dem vorgestellten Rahmenplan sei nichts entschieden; und die Wortmeldungen der Bürger wurden notiert und aufgenommen .

Eine Quartiersentwicklung in der Mitte von Münsing in dieser Dimension hat nicht eine Idee verdient, sondern eine Vielfalt von Ideen. In der Versammlung wurde der Eindruck erweckt, dass sich an dem vorgestellten Konzept nicht mehr viel ändern würde.

Sie erwarten also, dass dieser Rahmenplan genau so Grundlage des zu entwickelnden Bebauungsplans wird.

Das ist ja auch gesagt worden. In einem zweigeteilten Planungsprozess wird für das ganze Quartier erst einmal die Wohnbebauung entwickelt. Dann werden die Grundstücke veräußert. In einem zweiten Schritt ginge es dann erst um den Pallaufhof, um diesen mit den Einnahmen finanzieren zu können.

Wo ist da das Problem?

Ein Verfahren, in dem der Planungsprozess geteilt wird, kann kein gutes Gesamtergebnisse produzieren. Es wird ja auch der Bebauungsplanprozess geteilt. Wenn es dann erst einmal sechs Parzellen mit Wohnhäusern gibt, dann geben die den Qualitätsrahmen für die Pallhaufhofbebauung vor. Sollten dort Häuser stehen, die nicht gelungen sind, kann man sowieso nichts mehr retten.

Sie halten nichts von den drei Einfamilienhäusern und drei Doppelhäusern, wie sie vorgesehen sind.

Die Kernfrage ist doch: Was plant man, und für wen. Darauf hat der Abend keine Antwort geliefert. Im Gegenteil: Er alarmiert dahingehend, dass Modelle umgesetzt werden, die längst überholt sind.

Im Leitbild von Münsing heißt es, vor der Entwicklung der Bebauung am Pallaufhof sei über eine Bürgerbefragung der Bedarf zu ermitteln.

Genau das hat man nicht eingehalten.

Und Sie haben darüberhinaus einen Architektenwettbewerb gefordert.

Es gibt viele Arten eines solchen Wettbewerbs. In Garmisch-Partenkirchen begleite ich ein Projekt, bei dem man die Form eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs gewählt hat. Die Gemeinde wird dabei nicht verpflichtet, das zu bauen. Es wird eine Ideengrundlage geschaffen, ein Fundus des zu Bauenden. Man ist da in Münsing jetzt schon viel zu weit.

Sie haben auf der Veranstaltung beklagt, die Grundstücke seien zu groß.

Zu groß, zu teuer: Man braucht nur die Münsinger Erfahrung mit dem Einheimischenmodell auf dem alten Sportplatz nehmen. Dort ist eine Bebauung entstanden, die das Dorfbild auf Generationen beschädigt. Die fehlende bauliche Qualität ist auch durch die zu teuren Grundstücke begründet, die zu viel Geld binden.

Andere finden, große Grundstücke passen zum dörflichen Charakter.

Das ist an sich städtebaulich richtig. Aber die Frage ist doch: Berufen wir uns auf ein Dorfbild, das aus einer Zeit stammt, die sich überlebt hat? Wenn Münsing in sein Leitbild schreibt 'Wir müssen flächensparend bauen', dann ist das auch ein ökonomischer Grundsatz. Die Wohnmodelle des Dorfs von morgen haben sich sensibel anzupassen. Es reicht, die Typologie zu verändern. Ein Beispiel wären Hofhäuser, die in einer Winkelbebauung stehen und ganz andere Nutzflächen auf deutlich engeren Bauflächen schaffen.

Noch mal das Leitbild: Dort heißt es auch, die Gemeinde wolle eine der Tradition verpflichtete Baukultur pflegen, zugleich aber offen sein für Neues. Was gilt jetzt für die Mitte des Orts?

Die Verbindung von beidem. Immer dann, wenn ein Baukörper gut und angenehm wahrgenommen wird, ist die Grundlage ein sensibler Umgang mit dem Ort, an dem er steht und mit der gestellten Bauaufgabe. Die Aufgabe lautet, den Ort sensibel als Dorfplatz wahrzunehmen, und den Bedarf der Leute zu decken. Es geht um ein Wohnmodell, das die Brücke vom einen zum anderen schlägt.

Bis jetzt ist aber nichts entschieden.

Man müsste den Rahmenplan wieder ändern. Ein städtebaulicher Ideenwettbewerb würde dies implizieren. Man muss alle Geister, die damit zu tun haben, immer wieder neu fordern; damit in der Architektenszene ganz bewusst diskutiert wird, wie man die alten Dörfer mit dem Zeitgeist von heute und morgen versöhnen kann. Man kann nicht Dorfbilder mit verunglückten Einheimischenmodellen und Biogasanlagen zerstören, und auf der anderen Seite Heimat und Dorf im Sinn von großen Flächen zelebrieren. Da kommen dann sechs Leute, die große Grundstücke kaufen. Die lassen sich von der Gemeinde nicht vorschreiben, was für Häuser sie hinbauen und was für eine Energieversorgung sie wählen. Es geht in Münsing derzeit um grundsätzliche Fragen wie die Freiheit des Bauens und echte Bürgerbeteiligung, die daran zu messen ist, wie verbindlich sie im Ergebnis ist.

© SZ vom 18.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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