Amtsgericht Wolfratshausen:Mit Schlägen zur Vorzeigefamilie

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Über Jahre hinweg schlug ein 44-Jährige seine Kinder mit einer Gardinenstange. Vor Gericht zeigt er sich geständig.

Isabel Meixner

Er wollte eine "Vorzeigefamilie" mit wohl erzogenen Kindern. Um ihnen nach eigenen Worten "Grenzen aufzuzeigen", schlug ein 44-jähriger Mann aus dem Landkreis seine Sprösslinge vom Kleinkindalter an über Jahre hinweg, zwang sie zu "nicht kindgerechten Arbeiten" und schuf so nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein "Klima der ständigen Angst".

Weil der Vater den Sachverhalt einräumte, verurteilte ihn das Jugendschöffengericht am Dienstag wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten. Der Mann muss außerdem 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung sowie 2000 Euro Schmerzensgeld an seine Kinder zahlen. "Ohne Ihr Geständnis wäre es nicht so gut für Sie ausgegangen", sagte Richterin Adelinde Gessert-Pohle. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft verzichteten auf eine Revision.

Die Staatsanwaltschaft legte dem Mann zur Last, seine Kinder sechs Jahre lang immer wieder geschlagen zu haben - wegen Lappalien: Einmal etwa habe er seinen Sohn mit einer Gardinenstange auf das Hinterteil geschlagen, weil er das Gartentor nicht geschlossen habe. Ein anderes Mal ohrfeigte er eines der Kinder, weil es "unanständig" gegessen habe. Die Kinder hätten dadurch seelische und körperliche Schäden davongetragen, so die Staatsanwältin.

Der 44-Jährige, der wie seine Familie einer Glaubensgemeinschaft angehörte, räumte die Anklagepunkte grundsätzlich ein, versuchte aber im Laufe der Verhandlungen, seine Taten zu relativieren: "In der Akte sehe ich aus wie ein Monster, aber das bin ich nicht. Die Kinder waren glücklich." Er und seine Frau hätten sich Erziehungstipps geholt bei anderen Eltern ihrer Glaubensrichtung, und die hätten ihnen geraten, den Kindern "auch mal auf den Popo zu hauen. Es war sicher nicht so, dass ich die Kinder ohne Gründe geschlagen habe."

Hier hakte der Nebenkläger Winfried Folda ein: "Es geht nicht um Schläge auf den Popo, sondern darum, dass der Angeklagte Gegenstände verwendete und die Kinder seelische Schäden davontrugen." Der Angeklagte, der seine Kinder seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat, verwies im Laufe der Verhandlung mehrmals auf die Rolle seiner Noch-Ehefrau: "Wir haben die Erziehungsmethoden damals als richtig empfunden. Wir wollten unsere Kinder nicht verprügeln, sondern erziehen."

Aufgrund des Geständnisses verzichtete das Gericht auf die Zeugenvernehmung sowie die vorbereiteten Videobeweise. "Für alle Beteiligten wäre es eine große Belastung gewesen, wenn sie heute hätten aussagen müssen", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Das Geständnis sei daher erheblich zu berücksichtigen. Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Verteidiger Thomas Sturm betonte, der Angeklagte habe eine Vorzeigefamilie haben wollen und sich dadurch unter Druck gesetzt. Er hielt eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten für angemessen. Gessert-Pohle blieb mit ihrem Urteil knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

© SZ vom 06.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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