Wohlfahrtsverband:Caritas bezeichnet soziale Lage als "bitter"

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Die Armut nehme zu, die Einnahmen des Verbands sinken

Von Tiana Zoric

Weniger Einnahmen, mehr Kosten: Nach 16 Monaten zwischen Lockdown und Lockerung zieht die Caritas München und Oberbayern Bilanz. "Das Jahr 2020 war in bilanzieller Hinsicht stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflusst", sagt Thomas Schwarz am Dienstag. Der Finanzvorstand ist zwar froh über die finanzielle Unterstützung, wünscht sich jedoch ein schnelleres Handeln der Ämter. So habe der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche in 280 Fällen wegen verordneter Quarantäne von Mitarbeitern um die Erstattung der Verdienstausfälle gebeten. Davon seien bislang lediglich 42 bearbeitet worden. "Hier brauchen wir viel schneller Sicherheit über die Rückerstattungen", sagt Schwarz bei dem Pressetermin. Die Erzdiözese München und Freising sicherte dem Verband vergangenes Jahr bereits 30 Millionen Euro Unterstützung zu.

Auch Vorständin Gabriele Stark-Angermeier forderte Konsequenzen aus der Pandemieerfahrung: "Die Situation in den Altenheimen hat uns vor Augen geführt, dass wir immer wieder die Angemessenheit politischer Maßnahmen überprüfen müssen." Bewohner von Alten- und Pflegeheimen seien von der Außenwelt abgeschottet, Menschen mit Behinderung komplett von der Politik vergessen worden.

"Die Krise wirkt wie ein Vergrößerungsglas für soziale Ungleichheiten", sagt Stark-Angermeier. Es seien dringend Nachbesserungen des Sozialgesetzes nötig. Hierfür forderten die Vorstände unter anderem eine erneute Reform des Pflegesystems. Die im Juni von der Bundesregierung verabschiedete Pflegereform sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch noch lange nicht ausreichend. "Wir brauchen mehr Personal für eine qualitativ gute Pflege," sagt die Vorständin, "mit mehr Stellen in den pflegenden Berufen." Schichtpläne müssten entzerrt, Mitarbeiter entlastet werden. "Wir brauchen sinnvolle Investitionen, attraktive Arbeitsbedingungen und mehr Nachwuchskräfte", appellierte die Vorständin.

Zudem müsse die Pflege bezahlbarer werden. Zwar seien die Beiträge, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, mittlerweile gedeckelt. Dennoch gebe es zu viele Ausnahmen, die das Gesetz unbrauchbar machten. Durch die gestiegene Lebenserwartung sei sowieso absehbar, dass die Kosten von der Pflegekasse übernommen werden müssten.

Auch häusliche Pflege sei in der Reform nicht berücksichtigt. Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, arbeiten im Schnitt rund acht Stunden am Tag - ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung.

Generell sei die soziale Lange in Deutschland "bitter". Die zunehmende Armut bereite dem Verband Sorgen. Die Klientenstruktur habe sich stark verändert: Immer mehr Menschen, die in Kurzarbeit waren oder wegen der Pandemie ihren Job verloren, seien auf die Hilfe des größten Caritasverbands in Bayern angewiesen.

Die Zahl der Menschen, die zur Schuldnerberatung kämen, sei vergangenes Jahr stark gestiegen. Auch in diesem Jahr erwartet Stark-Angermeier einen Anstieg von 5500 auf 6400 Personen. Zudem seien die mobilen Essensausgaben immer stärker gefragt.

Die soziale Ungleichheit zeige sich auch in den Bildungsunterschieden von Kindern und Jugendlichen. Rund zwei Millionen Schüler seien während der Pandemie kaum oder gar nicht erreicht worden. "Distanzunterricht war viel Distanz und wenig Unterricht", sagte die Vorständin. Die Probleme von Familien und Schulkindern seien zu lange ignoriert worden. Welche Auswirkungen das auf die Psyche der jüngeren Generation hat, zeige sich erst jetzt. Deshalb forderte der Verband wieder einen regulären Schulbetrieb. Es dürfe weder am Geld noch an der Bürokratie scheitern.

"Wir haben die Pandemie mit viel Aufwand und Herzblut bewältigt", sagt Finanzvorstand Schwarz. Die Wirtschaft sei natürlich wichtig, doch die Sozialwirtschaft ebenso. Diese dürfe nicht vergessen werden. Deshalb verlange er, dass die Politik die Hilfsgelder so lange wie nötig bereitstellt.

© SZ vom 14.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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