WM-Vorbereitungen:Nichts als Fußball im Kopf?

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Die WM naht unaufhaltsam, und wer immer kann, spannt das Ereignis für seine Zwecke ein - kein Wunder, dass der Fan schon jetzt müde ist.

Karl Forster

Eigentümerversammlungen finden, sofern es sich nicht gerade um die Besitzer von Luxuswohnungen handelt, meist in Hinterzimmern von preisgünstigen Wirtschaften statt, auch Sportgaststätten werden gern genommen. Da die Teilnehmer sich in der Regel nicht besonders grün sind ("Wieso haben Sie Ihre Sommerliege in den Heizungskeller gestellt? Da gehört sie nicht hin!"), macht der Hausverwalter gerne zu Beginn ein paar auflockernde Scherzchen.

Fußball-Nationalstolz an der Wurtsttheke. (Foto: Foto: SZ/Hess)

In einem Großhaderner Hinterzimmer erlaubte sich unlängst die Versammlungsleiterin aus diesem Anlass die Runde zu fragen: "Na, freuen Sie sich schon auf die Weltmeisterschaft?" Da war sie aber an die Falschen geraten. Selten waren sich die Damen und Herren Wohnungsbesitzer so einig: "Ich kann das Wort Fußball nicht mehr hören", war noch die harmloseste Formulierung. Einer plante sogar, so lange zum Bergsteigen zu gehen, um nur ja jedem Fernsehgerät auszuweichen. Eine Großhaderner Ausnahme?

Beim Supermarkt in der Holzstraße. Eben hat die junge Frau noch Wurst geordert an der Theke, von deren Decke Dinge hängen, die wie schwarzrotgoldene Kondome aussehen, wie überhaupt diese Läden dem kommenden Großereignis markant viel Platz einräumen für Kinderschokoladenfußbälle und ähnlichen Schnickschnack. Ob sie eine Kundenkarte habe, fragte die Kassiererin. "Nein." Ob sie "die Fußballerbuidl" wolle? "Nein, lassen"s mich mit dem Scheiß in Ruh, mir reicht es eh schon mit dem Schmarrn."

Überall ballackt und schweinsteigert, kahnt und lehmannt es

Wo man auch steht und geht, schaut und fragt, überall ist Fußball, und keiner scheint sich dafür zu interessieren. So keimt denn bald der Verdacht, es könne sein, dass die massive Werbeflut in Schwarzrotgold den Spaß an der schönsten Nebensache der Welt hinweggeschwemmt hat. Dass dem, der kein Ticket hat für eines der Spiele, dass also der Mehrheit der Münchner das Turnier der 32 besten Fußballmannschaften der Welt am verlängerten Rücken vorbeigeht, obwohl man übers Jahr durchaus Interesse zeigt an den Schicksalen der Bayern und/oder der Sechzger.

Es ist, als schlage das Sprichwort vom Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht, derzeit in voller Wucht zu. Weil es an allen Wänden und Litfasssäulen, an den Moskitos und Bauzäunen ballackt und schweinsteigert, kahnt und lehmannt, dass es eine Art ist, schaltet der Kopf um auf Ignorieren. Und selbst am Tag nach dem mühsamen Spiel gegen Japan besteht weder in der S- noch in der U-Bahn irgendwo die Chance, bei einem Disput über die Klinsmänner kräftig mit zu mischen. Stell dir vor: Es ist Fußball-WM, und keiner merkt´s?

Auch in der Kaffeetasse treibt die Fußballbegeisterung ihre Blüten. (Foto: Foto: SZ/Hess)

Bank mit drei Spitzen

Wer allerdings mit für den Fußball offenen Augen durch die Stadt spaziert, entdeckt seltsam-lustige Kombinationen, dass man sich doch recht wundert, welche mit Sport kaum verwandte Branchen PR-Pässe zum Spielfeld zu schlagen imstande sind. Ob sie allerdings beim Adressaten auch ankommen, das ist eine ganz andere Frage.

Oder wäre man darauf gekommen, dass man bei einer das Land umspannenden Kaffeerösterei einen Fan-Cappuccino ordern kann? Oder dass eine Bank glaubt, Kunden zu locken mit dem Spruch "Ab jetzt spielen wir mit drei Spitzen" (meint man den Spitzenzinssatz beim Dispokredit?)? Oder dass eine Bäckerei in der Müllerstraße mit "Siegertypen - knusperfrisch" Brot anpreist?

Oder dass die Stadtsparkasse ihr Foyer mit den hässlichsten Fußballspielerbildern der Welt garniert? Oder dass ein Autohaus die riesige Glasfront mit dem WM-Spielplan überklebt, mit seinen Limousinen in den Nationalfarben drauf? Oder dass gar ein für feine Confiserien berühmtes Kaffeehaus grobschlächtige Fußballspieler in Schokolade gießt?

Gäbe es einen Pokal für das kühnste Pass-Spiel von PR zum Produkt, ein Sportgeschäft stünde mit seinem Spruch "Nichts als Fußball im Kopf?" im Finale mit seinem Nachbarn, einem österreichischen Dessousladen. Hier schreiben spärlich bekleidete Schönheiten an die Wand: "Die Badenixen wünschen den starken Jungs auf dem Rasen viel Glück."

Meine Damen, die starken Jungs sollen auf dem Rasen an Fußbälle denken, und an sonst nichts!

Wer dies alles und die ganz normale Werbeflut von der Bahn ("Wir sind am Ball") bis zu Landesbausparkasse ("Finanzieren Sie ihre eigene Arena noch in dieser Spielzeit") sieht, wird irgendwann meschugge. Dann geht er an einem Obstladen vorbei, sieht eine Ananas, in der ein Schild steckt mit der Aufschrift "aus Costa Rica" und denkt: Die kommt aus dem Feindesland, die ist garantiert vergiftet. Und schon entdeckt er ein paar Häuser weiter die mögliche Rettung: ein Arztschild, auf dem ein Doktor Weisweiler seine Dienste anbietet. Weisweiler? Da war doch was! Schau einer an, welch eine Karriere, vom Bökelberg ins Münchner Glockenbachviertel. Der Fußball macht"s möglich.

© SZ vom 1.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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