Wissenschaftsstandort:Berlin, Göttingen, München

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Der Eingang zur Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Max-Planck-Gesellschaft zog in den Sechzigerjahren nach Bayern

Von Jakob Wetzel, München

Einmal ist es kritisch geworden mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und München. Die Wiedervereinigung war nur wenige Monate her, da stand die Frage im Raum: Warum nicht nach Berlin ziehen, zurück aus dem bayerischen Exil dorthin, wo alles angefangen hat? Immerhin hatte der Senat der MPG bereits in den Fünfzigerjahren beschlossen, den Sitz sofort nach Berlin zu verlegen, wenn die Stadt wieder deutscher Regierungssitz werden würde. Das Verhältnis zum Münchner Rathaus war ohnehin angespannt, und die Räume in der Stadt wurden zu eng; die Mitarbeiter der Generalverwaltung teilten sich auf vier Gebäude auf. In der MPG habe es ein "starkes Verlangen" nach dem Umzug gegeben, sagte der damalige Präsident Hans Zacher einmal im Rückblick. Doch die bayerische Staatsregierung wollte dem nicht tatenlos zusehen.

Der Freistaat überließ der Max-Planck-Gesellschaft ein bislang unbebautes, prominent gelegenes Grundstück am Marstallplatz, das laut Bebauungsplan eigentlich für eine kulturelle Nutzung reserviert war. Die Stadt spielte mit, sie änderte die Vorgaben, bemühte sich um unbürokratische Lösungen, machte den Weg frei für einen Neubau der Forscher-Gemeinschaft. Im Jahr 1992 entschied sich die MPG für München. Stadt und Freistaat verbuchten das als großen Erfolg. Forschung sei schließlich die "volkswirtschaftlich vielleicht wichtigste Daseinsvorsorge unseres Landes", sagte der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber 1996 bei der Grundsteinlegung der neuen Zentrale. Für Oberbürgermeister Christian Ude ging es um nicht weniger als um München als "Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungsstadt".

Dabei kam die MPG mit ihren derzeit zwölf Instituten im Großraum München keineswegs planvoll in die bayerische Landeshauptstadt. Ihren Ursprung hat die Gesellschaft in Berlin. Dort entstand 1911 die "Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften". Nach dem zweiten Weltkrieg gründeten Forscher die MPG als deren westdeutschen Nachfolgeverein, zunächst in Göttingen. Erst zu Beginn der Sechzigerjahre zog die Verwaltung nach München, wo der Chemie-Nobelpreisträger und damalige MPG-Präsident Adolf Butenandt das Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie leitete, das nach einer Fusion mit anderen Instituten später nach Martinsried umgezogen ist.

So wie der Generalverwaltung ging es auch einzelnen heute in München ansässigen Instituten, etwa dem renommierten MPI für Physik: Das entstand 1917 in Berlin als Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik unter Albert Einstein, der es bis zu seiner Emigration in die USA 1933 leitete. Kurz nach Kriegsende erlaubten die britischen Besatzer den Physikern, ihr Institut als "MPI für Physik" wiederzueröffnen, allerdings ebenfalls in Göttingen. Erst im Jahr 1958 zog das Institut nach München.

Hier ist durch Zuzüge, Neu- und Ausgründungen mittlerweile ein regelrechtes Forschungsnetzwerk entstanden, in das nicht nur die derzeit zwölf Institute in München, Garching, Martinsried und Seewiesen im Landkreis Starnberg eingebunden sind, sondern auch die beiden großen Münchner Universitäten. Direktoren und Professoren werden zuweilen gemeinsam berufen - so wurde zum Beispiel der spätere Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch 1986 nicht nur Direktor des MPI für Quantenoptik in Garching, sondern auch Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität. Mit der Technischen Universität München hat die MPG 2014 ein gemeinsames Nachwuchsprogramm gegründet: Die Uni beruft junge Forscher auf zunächst vergleichsweise niedrig vergütete Professuren, wo sie sich bewähren und dann aufsteigen können, zugleich werden die Wissenschaftler Forschungsgruppenleiter in einem MPI. An Graduiertenschulen wie etwa der "International Max Planck Research School for Molecular Life Sciences" sind darüber hinaus neben Instituten der Max-Planck-Gesellschaft auch beide Universitäten beteiligt. Und es gibt eine Vielzahl weiterer Kooperationen bei einzelnen Forschungsprojekten, etwa zur Früherkennung und Frühbehandlung von Krebserkrankungen mit Hilfe von Lasern oder auch zur Erforschung der sozialen Folgen des Internets.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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