Wirt gibt sich als Richter aus:Wenn der Halbgott mit Maßkrug auftischt

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Eine Bekannte sollte Fahrstunden nehmen, doch dann ärgerte sich der Münchner Wirt über eine Pause von Lehrer und Schülerin im Café. Seine Meinung tat er mit deftigen Worten und einer ganz besonderen Visitenkarte kund. Nun macht ihm dieser Auftritt gewaltige Probleme.

Susi Wimmer

Ein Wirt ist nicht nur ein Wirt. Erst recht nicht, wenn er in München residiert. Der Münchner Wirt nämlich ist ein Unikum, eine Berühmtheit, nur selten Koks-Lieferant oder Steuerhinterzieher, eher schon Lichtgestalt, ein Halbgott mit Maßkrug, vor dem sich der Gast in Demut verneigt. Der Münchner Wirt, er müsste sich eigentlich Visitenkarten drucken lassen, mit Wappen und Goldbuchstaben auf handgeschöpftem Büttenpapier: Horst Hopfen, Gastronom, Bier- und Heilsbringer. Oder so ähnlich.

Eher lapidar klingt es da, was die Polizei Paul P. vorwirft, Wirt des Alten Hackerhauses in der Sendlinger Straße. Er soll nach Informationen der SZ die Angestellte einer Fahrschule bedroht und versucht haben, sie mit einer Visitenkarte einzuschüchtern. Auf der prangte das bayerische Staatswappen und der Schriftzug: Paul Ferdinand P., Richter am Landgericht München I (§ 31 GVG).

In Beisein von Polizei und Staatsanwalt sagte P. dazu: "Man braucht doch was, um bei solchen Kanaken, mit denen ich immer zu tun habe, Eindruck zu machen." Mit welchen "Kanaken" der Wirt des Hackerhauses immer zu tun hat, sei dahingestellt. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Warum "das Ganze jetzt so aufgeblasen wird", kann Paul P. nicht nachvollziehen. "Das Ganze" geschah schon im Juni dieses Jahres. "Eine meiner Bekannten", wie P. sagt, die 26-jährige rumänische Studentin Laura D., sollte bei der Fahrschule Diamantis an der Karlstraße ein paar Stunden nehmen. "Damit sie mein Auto benutzen kann, sie hatte nur einen spanischen Führerschein."

Während der ersten Fahrstunde hielt Fahrlehrer Konstantin Diamantis nach Absprache mit der Studentin an einem Café. "Sie wollte Zigaretten kaufen, ich trank einen Kaffee, wir machten Smalltalk", sagt der Fahrlehrer. Drei Tage später stand P. im Büro der Fahrschule: "Ich hatte eine Fahrstunde bezahlt", beschwerte sich P. über die Pause im Café. Und wenn der Fahrlehrer seiner Bekannten nicht noch mindestens fünf Stunden zum vereinbarten Tarif gebe, werde er Anzeige wegen sexueller Nötigung erstatten.

Dann erklärte er der Mutter des Fahrlehrers, die im Büro saß, dass er sich mit Justizangelegenheiten auskenne und legte die Visitenkarte mit dem Staatswappen auf den Tisch. Die Frau erstattete Anzeige, das Kommissariat für Fälschungsdelikte ermittelte.

Drei Wochen später durchsuchte die Polizei P.'s Wohn- und Geschäftsräume an der Sendlinger Straße und stellte weitere Visitenkarten sicher. Dabei sollen die Worte "Kanaken" und "Drecksau" gefallen sein. Das Gericht erließ nun einen Strafbefehl wegen Missbrauch von Titeln, Nötigung und Beleidigung. Gegen den Strafbefehl hat P. Einspruch erhoben, wie Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch bestätigte. Jetzt kommt die Angelegenheit zur Verhandlung.

Und Paul P. wundert sich, "wo die Geschichte hingeführt hat". Er sei seit 2004 Schöffe bei Gericht, "und Schöffen sind ehrenamtliche Richter", was der Zusatz "§ 31 GVG" auf der Visitenkarte besage. Tatsächlich steht in dem Paragrafen, dass das Schöffenamt ein Ehrenamt ist, das nur von Deutschen ausgeübt werden kann.

P. sagt, er verstehe das nicht als Titelmissbrauch, sondern als "reine Auslegungssache". Die Visitenkarten besitze er seit Jahren, habe sie nie benutzt und an dem Tag "zufällig dabeigehabt". Und das Wort "Drecksau" habe er nur in sich hineingemurmelt, und "Kanake" sei für ihn "ein eingedeutschter Begriff".

Seine 26-jährige Bekannte jedenfalls muss jetzt anderweitig üben: Nach dem Vorfall weigerte sich Konstantin Diamantis, die Frau weiter zu unterrichten.

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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