"Wir schließen nicht, wir öffnen uns":Zeit des Umbruchs

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Zigtausende Objekte im Deutschen Museum müssen derzeit für die Sanierung umziehen - ein gewaltiges logistisches Unterfangen. Die Besucher sollen möglichst wenig vermissen, deswegen setzt man auf virtuelle Rundgänge. Und auf das Engagement der Mitarbeiter: ein Überblick

Von Martina Scherf

Die ersten Lastwagen sind angerollt. Überall stehen Kisten und Paletten herum. Menschen mit weißen Bauhelmen und grauen Arbeitsoveralls eilen von hier nach da, Pläne in der Hand, Walkie-Talkies am Gürtel. In einer Ecke liegen die Rotorblätter eines Hubschraubers, leicht angestaubt. Hinter einer Absperrung hat jemand eine Kuh abgestellt. Eine Attrappe aus der Landwirtschaftsabteilung, auch sie muss jetzt raus - wie Flugzeuge, Roboter, Dampfmaschinen oder Fotoapparate. Ein Museum zieht um, und wenn es auch nur die Hälfte der Ausstellungen betrifft, so ist dies doch ein gigantisches, logistisches Unterfangen.

Von alldem sollen die Museumsbesucher möglichst wenig mitbekommen. In zwei Abschnitten wird das Gebäude saniert, von den Grundmauern bis zum Dach. Neun Monate dauert allein die Räumung der ersten Hälfte im Westflügel. Dabei wird jeweils die andere Hälfte der Ausstellungen geöffnet bleiben - man wollte keinen Besucherrückgang riskieren, wenn das Haus über Jahre geschlossen würde. In zehn Jahren soll alles fertig sein.

"Wir schließen nicht, wir öffnen uns", verspricht Generaldirektor Wolfgang Heckl. Bergwerk, Starkstrom, Flugsimulator - etliche der Publikumsmagneten bleiben zugänglich. Das neue Planetarium, erst vor kurzem eingeweiht, "ist das modernste der Welt", betont der Physiker. Während der Bauzeit soll es im ganzen Haus noch mehr Führungen geben, und wer etwas vermisst, kann virtuelle Rundgänge durch die ehemaligen Abteilungen im Internet besuchen. "Wir sorgen mit der Digitalisierung dafür, dass die Ausstellungen sichtbar bleiben", sagt Heckl, "auch Menschen, denen eine Reise nach München nicht möglich ist, können so unser Museum besuchen". Das ist dem Direktor wichtig. Das Münchner Büro NavVis wurde beauftragt, das einen fahrbaren Scanner mit Laser und Kameras durchs Museum schickte. Heraus kam ein virtueller 3-D-Rundgang mit Kommentar. Davon profitieren nicht nur Besucher, sondern auch das Museum selbst, denn die Nostalgie ist groß unter den Mitarbeitern in diesen Tagen. Sie wollen das alte Haus, so wie es war, in Erinnerung behalten.

Das gilt besonders für die 20 Kuratoren der Fachgebiete, von der Chemie über die Landwirtschaft bis zur Raumfahrt. Sie tüfteln an den neuen Ausstellungskonzepten. Alles soll heller, luftiger und anschaulicher werden. Unterstützt werden sie dabei von ebenso vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern, und von Schreinern, Schlossern, Elektrikern und Mechanikern in den 23 hauseigenen Werkstätten. Gerade jetzt, in der Zeit des Umbruchs, spürt man die große Identifikation mit dem Museum unter den mehr als 500 Mitarbeitern. Das gilt auch für das Heer von Ehrenamtlichen. Da gibt es pensionierte Ingenieure, die tagsüber Kinder durch die Physik führen und abends zu Hause Lampen reparieren. Alle sind gespannt, was sich in den nächsten Jahren verändert. Und sie stimmen dem zu, was Dagmar Klauser, die Leiterin des Ausstellungsdienstes, in der Langen Nacht der Museen auf den Punkt brachte: "Wir freuen uns, dass es nach langer Planung endlich los geht."

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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