Wiesn-Rundgang:Reifeprüfung im Wildwasser

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Selbst hier raunten die Auguren. Was hat es wohl zu bedeuten, wenn der Oberbürgermeister auf die traditionellen Oktoberfest-Inspektion mitsamt Tross, Presse und Honoratioren des Wirtschaftsausschusses verzichtet und stattdessen die Zweite Bürgermeisterin schickt?

Joachim Käppner

Im Rathaus gingen die Gerüchte um, dass Ude sich bald schon erklären werde. Währenddessen gab sich Udes Stellvertreterin Christine Strobl alle Mühe, das Nichterscheinen des Chefs glaubhaft zu erläutern. Ude müsse zeitgleich in Köln die Auszeichnung als fahrradfreundlichste Persönlichkeit Deutschlands entgegennehmen.

Bürgermeisterin und Wiesn-Chefin mit Spaßbrillen (Foto: Foto: dpa)

Dafür hatte sie, seit Jahresbeginn erst Bürgermeisterin, eine wahrhaft Münchner Premiere. Nun ist es aber auch eine echte Herausforderung, an der Seite der unablässig plaudernden Wiesnchefin Gabriele Weißhäupl ("In Zeiten, wo alles so globalisiert ist, da kommen dann so 250 Flöhe und ziehen im Flohzirkus einen Wagen - i finds großartig") aufs Pferd zu steigen, neue Fahrgeschäfte anzupreisen, in einem um die eigene Achse wirbelnden Wildwasserboot noch einigermaßen würdig dreinzublicken und später natürlich Bier aus dem Masskrug zu nehmen.

Man muss aber sagen, dass Christine Strobl all diesen Aufgaben als gewachsen erwies und trotz ihres langen Dirndls nicht einmal ins Wasser fiel, als sich die Boote stauten und sie von Bordwand zu Bordwand klettern musste, um zum nächsten Termin zu gelangen. Bei der Ude-Nachfolge, auch wenn sie sich doch hinauszuschieben scheint, hätte sie also bereits einiges vorzuweisen.

Dafür hatte sie, seit Jahresbeginn erst Bürgermeisterin, eine wahrhaft Münchner Premiere. Nun ist es aber auch eine echte Herausforderung, an der Seite der unablässig plaudernden Wiesnchefin Gabriele Weißhäupl ("In

So viel Andrang herrschte bei der Vorbesichtigung, dass Veteranen ins Stöhnen kamen. Fünf, sechs Journalisten und ein paar Fotografen seien es einmal gewesen, seufzte der ehemalige Wiesn-Stadtrat und heutige SPD-Landtagsabgeordnete Hermann Memmel, und es war durchzuhören, dass dies selige Zeiten waren, in denen man den Luxus genoss, allein über die Festwiese zu schlendern. Nun aber herrschte ein Auftrieb, als warte doch irgendwo im Bierzelt der Oberbürgermeister und gebe exklusiv seine Zukunftspläne kund. Er saß aber nirgendwo; dafür durfte Weishäupl, gekleidet im rosa Dirndl, die neuesten Attraktionen verkünden.

Da ist das Kuhglocken-Labyrinth im "Hoffreuhaus", dessen Reiz darin besteht, dass der via 3-D-Brille oder übermäßigen Biergenuss Geblendete gegen Kuhglocken stößt respektive auf schwankendem Boden strauchelt. Da ist die "Futureworld", worin der schwitzende Besucher in einem Fahrstuhl abzustürzen glaubt. Und natürlich besagte Wasserrutsche "Wild'n wet" der Schaustellerfamilie Löwenthal aus Bremen sowie erstmals ein "Familienplatzl", wo es ruhiger zugeht, ein Kinderwagen-Parkhaus, Wickelplätze und sogar eine Mikrowelle zum Erwärmen von Babynahrung geboten werden. Bei all dem marschierte ein kleiner, leicht melancholischer Herr mit, Willy Heide vom Bräurosl, lange Jahre Sprecher der Wiesnwirte. Sicher, sagt er, sei die Wiesn immer großartig, aber all dieser Lärm, diese laute Musik, dieses Auf-den-Tischen-Tanzen, das nun wieder anhebe, sei seine Sache nicht: "Unsere Gemütlichkeit, die is nimmer ganz so, wie sie war."

© SZ vom 15.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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