Wiesn-Festzelte:Überlebensgroß im Hippodrom

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"Bei uns geht's halt zivilisiert zu": Warum Festwirt Sepp Krätz so gerne prominente Gäste um sich schart.

Christian Mayer

Für einen Moment hat selbst Sepp Krätz Angst, dass hier gleich alles aus dem Ruder läuft, vielleicht sogar etwas Schlimmeres passiert auf dem Höhepunkt des Wiesn-Wahns. Gerade hat Paris Hilton in ihrem goldenen Designer-Dirndl das Hippodrom durch den Hintereingang verlassen, beschützt von Bodyguards und ihrem persönlichen Tross, als sich Fotografen, Fans und Neugierige wie besessen auf sie stürzen - von der Hotelerbin aus New York ist nichts mehr zu sehen.

Krätz, der neben einem Fernsehmoderator mit ausgestrecktem Mikro steht, kann das Treiben nur hilflos kommentieren. Nach ein paar Rangeleien schiebt sich die Meute Richtung Bavaria-Ring; Paris Hilton lächelt ein letztes Mal für die Hobby-Paparazzi, sie hat schon ihre übergroße Sonnenbrille aufgesetzt und entschwindet unbeschädigt in einem schwarzen Stretch-Mobil.

Nun muss man wissen, dass Sepp Krätz reichlich Erfahrung hat im Umgang mit ungewöhnlichen Gästen. Längst hat sich das Hippodrom als Medienzelt etabliert, das ganze Magazine mit Klatsch und immer neuen Fotos versorgt.

Egal, ob Boris Becker zum ersten Mal seine Neuerwerbung Michelle vorzeigt oder ob Zigarrenmanager aus der Schweiz Uschi Glas zum Paffen bringen - in der ehemaligen Pferdebahn finden alle eine Bühne.

Angst, im Zelt was zu verpassen

Der Chef sitzt am späten Vormittag in seiner mit Promi-Bildern geschmückten Hausbox und kostet Wurstspezialitäten - am Nachbartisch tagt schon wieder eine Gruppe von Freundinnen, die den Champagner aus kleinen Bierkrügen trinken.

Krätz ist noch leicht aufgekratzt von der Stimmung am Vorabend, und überhaupt läuft ja alles gut für ihn in diesem Jahr. Sogar eine eigene Fernsehsendung hat er bekommen. Täglich um 17.30 Uhr sendet Sat1 von der Tribüne im Hippodrom. An der Seite der stets fröhlichen Eva Grünbauer darf sich Krätz als Live-Plauderer versuchen. "Ich werd' da vor der Kamera aber immer schnell nervös, ob ich im Zelt was verpasse."

Nein, verpassen möchte der 51-Jährige, der gerne taillierte Trachtenjanker, Buntfaltenhosen und Designerhemden trägt, auf gar keinen Fall etwas. Deshalb hat er die Ohren überall, er eilt von Tisch zu Tisch, um seine männlichen Gäste mit Handschlag zu begrüßen und die Damen mit Bussi.

Er umschmeichelt sein Publikum wie kein zweiter auf dem Oktoberfest; nicht mal die passionierten Gästeversteher Michael Käfer, Vater und Sohn Kuffler im Weinzelt oder der ebenfalls sehr leutselige Peter Pongratz vom Winzerer Fähndl können da ganz mithalten.

"Ein wenig kapriziös"

Einer wie er hat natürlich Neider, und es gibt Münchner, die seinen ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung übertrieben finden. Wiesnchefin Gabriele Weishäupl, die gerade sehr heftig vor der Kommerzialisierung des Oktoberfestes gewarnt hat, lobt den Hippodrom-Wirt dagegen demonstrativ. "Er hat ja keine einfache Zielgruppe, sondern viele Glamour-Gäste, die hohe Ansprüche stellen", sagt Weishäupl.

Eine kleine Spitze gegen das Hippodrom mit seiner "Zuckerbäcker-Kulisse" kann sie sich aber nicht verkneifen: "Ein wenig kapriziös" sei das Publikum halt schon, andererseits aber werde das Zelt sehr ordentlich geführt und könne mit seiner Küche überzeugen: "Der Krätz versteht es eben, mit seiner Klientel umzugehen - ich habe Respekt vor seiner Lebensleistung."

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