Wiedergründung der IKG:Ein "sehr mutiger Schritt" vor 75 Jahren

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Zum 75. Mal jährt sich an diesem Mittwoch die Wiedergründung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern vom 15. Juli 1945. Die amtierende Präsidentin Charlotte Knobloch sagte aus diesem Anlass: "Als die Gemeinde im Juli 1945 wiedergegründet wurde, hätte ich mir niemals träumen lassen, dass jüdisches Leben wieder ins Herz dieser Stadt zurückkehren würde. Heute haben wir erlebt, dass genau das Realität geworden ist." Aus einer kleinen Gruppe Überlebender sei heute eine Gemeinde geworden, deren Größe beinahe an die der Zeit vor 1933 heranreiche.

Allerdings seien die Probleme von damals auch heute noch nicht überwunden, ergänzte Knobloch. "Der Judenhass, dem schon die Überlebenden hier in München die Stirn boten, wächst seit Jahren wieder an. Wenn Gemeindemitglieder sich heute nicht als jüdisch zu erkennen geben wollen und Rabbiner unserer Gemeinde auf offener Straße beleidigt werden, ist es bis zur Normalität noch ein weiter Weg." Erst vergangenen Donnerstag war Shmuel Aharon Brodman, Rabbiner der Kultusgemeinde, in München von einer Gruppe junger Männer antisemitisch angepöbelt und beleidigt worden. Auch antiisraelische Parolen sollen die Täter gerufen haben. Brodman erklärte, Grund für die Beleidigungen könnte seine Kippa gewesen sein, die er während des Vorfalls trug. Die Polizei ermittelt.

Knobloch fügte an, bei aller Freude über das aktuelle Jubiläum sei das Jahr 1945 nicht der entscheidende Bezugspunkt für die Kultusgemeinde: "Die Nationalsozialisten haben unsere Gemeinde 1941 widerrechtlich aufgelöst. Nach Kriegsende wurde sie lediglich wiederhergestellt. Den Beginn unserer Traditionslinie führen wir weiterhin auf 1815 zurück - das Gründungsjahr der IKG." Planungen für Veranstaltungen zum Jahrestag seien coronabedingt abgesagt worden.

Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle (CSU) bezeichnete die Wiedergründung nach dem Ende der NS-Diktatur als "sehr mutigen Schritt". Spaenle erklärte: "Wenn man als religiöse Gemeinschaft solches Unrecht ertragen musste, ist ein Neuanfang mehr als schwierig und verlangt von den Menschen Mut und Zuversicht." Es sei sehr gut, dass die jüdische Gemeinde inzwischen wieder ihren Platz mitten in der Gesellschaft gefunden habe.

© SZ vom 15.07.2020 / kna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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