Wie vermögend ist die Kirche?:Reich gesegnet

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Das Münchner Erzbistum hat sein Vermögen bewertet - und hat mehr Geld, als die Verantwortlichen selbst vermuteten. Rund sechs Milliarden Euro ist der Besitz wert, und da sind die Besitztümer der Pfarreien und Orden noch gar nicht eingerechnet. Die Mittel für die wichtigsten Aufgaben werden nun von Stiftungen verwaltet

Von Jakob Wetzel

Da ist sie also, die Zahl, auf die viele gewartet haben - und dann ist sie es doch wieder nicht. Am Montag hat das Erzbistum München und Freising seinen Besitz offengelegt. Es hat Geldanlagen und Kapitalrücklagen beziffert, Gebäude, Grundstücke und Kunstwerke bewertet. Rechnet man alles zusammen, beläuft sich das Vermögen auf mehr als 6,2 Milliarden Euro. Das ist ein Rekord, kein Bistum in Deutschland hat mehr zur Verfügung. Das Erzbistum Paderborn, das bislang als reichstes deutsches Bistum galt, hatte sein Vermögen 2015 mit rund vier Milliarden Euro angegeben. Das Erzbistum München und Freising übertrifft diese Summe mit Leichtigkeit. Und doch ist damit nicht das ganze Vermögen der katholischen Kirche in der Erzdiözese beziffert.

Was das Erzbistum am Montag präsentiert hat, sind die Bilanzen von sechs zentralen kirchlichen Rechtsträgern: die des Erzbistums selbst, zudem die des Erzbischöflichen Stuhls, einer Emeritenanstalt sowie dreier großer Stiftungen. Auf dem Gebiet der Erzdiözese existieren aber Hunderte weitere Institutionen, die zur katholischen Kirche gehören, darunter alleine 750 Pfarrkirchenstiftungen, dazu Hunderte Pfründestiftungen, aber auch eine Knaben- und eine Klerikalseminarstiftung sowie das Domkapitel - ganz zu schweigen von den von der Amtskirche unabhängigen Ordensgemeinschaften. Über welchen Besitz diese alle verfügen, ist kaum bekannt. In der Erzdiözese beispielsweise sind 7000 Gebäude samt Grundstücken der katholischen Kirche zuzurechnen. Dem Rechtsträger Erzbistum gehören davon aber lediglich 352.

Dieser Rechtsträger ist dennoch der mit dem größten Besitz. Laut Bilanz hatte er Ende 2015 ein Vermögen von 3,3 Milliarden Euro. 1,25 Milliarden Euro davon steckten in Immobilien, 1,46 Milliarden in Geldanlagen, 439 Millionen Euro lagen auf verschiedenen Bankkonten. Dieses Vermögen wäre noch höher, hätte die Kirche 2015 nicht 1,56 Milliarden Euro in drei Stiftungen ausgelagert, deren Zweck es ist, die Arbeit der Kirche in ihren Kernaufgaben zu stützen: der Seelsorge, der Bildung und der Wohlfahrtspflege. Vor diesen Zustiftungen verfügte das Erzbistum laut Bilanz über 4,6 Milliarden Euro Vermögen.

SZ Grafik (Foto: N/A)

Ist die Kirche nun reich? Generalvikar Peter Beer, der Verwaltungsleiter des Erzbistums, scheut dieses Wort. "Sie ist eine leistungskräftige Kirche, die ihre Aufgaben erfüllen kann", sagt er. Demselben Zweck dienen die drei Stiftungen. Mit ihnen wolle die Kirche ihr Geld vor sich selbst schützen und es an einen Zweck binden, sagt Beer. Die Stiftungen mit ihrem Vermögen von insgesamt 1,93 Milliarden Euro werden von drei Stiftungsräten verwaltet, die zwar alle unter Beers Vorsitz stehen; jeweils drei der fünf Mitglieder aber sind extern, sie gehören nicht dem Erzbischöflichen Ordinariat an. Die drei Stiftungen überweisen ihre Erträge künftig zweckgebunden zurück an das Erzbistum; schon 2016 sollen auf diese Weise insgesamt 6,5 Millionen Euro zurückfließen. "Sie unterstützen in schlechten Zeiten und entlasten in guten Zeiten", sagt Beer. Verschleiern wolle man dadurch nichts: "Wir haben das Geld bewusst nicht 2014, sondern erst 2015 zugestiftet, damit es in den Bilanzen sichtbar ist", so Beer.

Er will nicht in den Ruch von Limburg geraten: Der Skandal um Bischof Franz- Peter Tebartz-van Elst und seinen teuren Bischofssitz hatte vor drei Jahren allen 27 katholischen Bistümern in Deutschland den Generalverdacht beschert, das Geld der Gläubigen zu verschwenden. Viele Diözesen wollten daraufhin transparenter mit ihrem Geld umgehen. In München geschah dies besonders akribisch: Das Erzbistum hat streng nach den Erfordernissen des Handelsgesetzbuches bilanziert, erstmals in seiner Geschichte.

Transparenz erhofft sich die Kirche dabei auch für sich selbst. Denn vom Limburger Skandal wurde sie kalt erwischt: Auf die ersten Fragen damals, wie groß das Vermögen des Erzbistums München und Freising eigentlich sei, wusste sie selbst keine Antwort. Stets hatte sie nur Einnahmen und Ausgaben dokumentiert, ohne den Wert des Besitzes systematisch zu erfassen. Künftig werde man nicht nur besser planen können, sagt Beer. Auch nach außen könne man besser kommunizieren.

In den vergangenen Jahren hat die Kirche dafür viel rechnen müssen. Unter anderem habe sie 352 Gebäude bewertet, die meisten zum ersten Mal, erklärt Beer. Bewertet wurden auch 1500 Kunstobjekte und 805 Flurstücke; 6000 Verträge mussten gesichtet werden. Und dabei wurde die Kirche offensichtlich selbst davon überrascht, wie viel Geld sie eigentlich hat. Ihr Sachanlagevermögen veranschlagte sie Ende 2014 intern noch auf 228,7 Millionen Euro - nach der Neubewertung war es plötzlich 1,2 Milliarden Euro wert.

Dabei musste das Erzbistum unter anderem klären, wie viel Geld eigentlich eine Kirche wert ist. Einerseits handelt es sich dabei ja meist um eine Immobilie in guter Lage. Andererseits ist sie denkmalgeschützt und nicht veräußerbar, bringt keine Einnahmen, sondern verursacht nur Kosten. Im Immobilienbesitz des Erzbistums finden sich ohnehin nur wenige Kirchen, etwa die Dreifaltigkeitskirche an der Pacellistraße oder die Jugendkirche im Kirchlichen Zentrum Haidhausen an der Preysingstraße. Die meisten Gotteshäuser gehören einzelnen Pfarrkirchenstiftungen, darunter auch die Frauenkirche. Aber bei den Kirchen, die es besitzt, hat das Erzbistum eine Lösung gefunden: Sie sind einen Euro wert. Ihre Grundstücke summieren sich immerhin auf 30 Millionen Euro.

Die anderen Kirchen seien Sache der Pfarrkirchenstiftungen, sagt Beer. Man dränge darauf, dass auch diese ihre Vermögensverhältnisse transparenter machen. Es sei aber davon auszugehen, dass diese Stiftungen nicht annähernd so viel Geld hätten wie das Erzbistum.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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