Wie sicher ist die Stadt?:Mehr Schutz für Frauen

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Die Stadt erarbeitet einen Aktionsplan gegen körperliche und sexuelle Gewalt

Von Christina Hertel

40 Prozent der Frauen in Deutschland haben schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Der eigene Partner war bei jeder vierten Frau der Täter. Das geht aus einer Studie des Familienministeriums hervor. Sibylle Stotz kennt diese Zahlen - aus eigener Erfahrung. Sie arbeitet im Münchner Frauenhaus. Und gerade entwickelt sie einen stadtweiten Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll er in Kraft treten.

Ende Mai unterzeichnete Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Europäische Charta für Gleichstellung. Aus dem Dokument geht hervor, dass Aktionspläne mit konkreten Maßnahmen und Zielen erstellt werden sollen. Die Stadt erörtert nun bei denjenigen, die Tag für Tag mit Frauen in Not zu tun haben, wie Hilfe organisiert werden kann: Was brauchen die Betroffenen? Was soll im Aktionsplan stehen?

Melanie Schauer ist Leiterin eines der größten Frauenhäuser in Bayern. Das größte Problem aus ihrer Sicht: München wächst und wächst, aber die Infrastruktur hält nicht mit. "Wir bräuchten mehr Plätze, immer wieder müssen wir abweisen." Auch weil viele Frauen länger bleiben als sie müssten, denn sie finden nach ihrem Aufenthalt keine eigene Wohnung. "Andere wollen gar nicht erst zu uns, weil sie Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren", berichtet Schauer. Außerdem bräuchte sie mehr barrierefreie Appartements in ihrem Frauenhaus. Gerade erst wurde eines rollstuhlgerecht ausgebaut - das sei ein Tropfen auf den heißen Stein, wie sie sagt. Mehr davon fordert auch Dunja Robin von den Netzwerkfrauen, einem Zusammenschluss von Frauen mit Behinderung. "Man muss sich allerdings auch Gedanken machen, wie die Informationen über Beratungsangebote zu den Betroffenen kommen sollen", sagt Robin. Es gebe viele Frauen in Behinderteneinrichtungen, die keinen Zugang zum Internet haben.

Bei der Entwicklung des Aktionsplans soll die Öffentlichkeit beteiligt werden - deshalb wurden dieses Jahr bereits Münchner Bürger befragt. Ein Ergebnis: Frauen fühlen sich in der Landeshauptstadt weitgehend sicher, außer in Kneipen und Lokalen. Geförderte Selbstverteidigungskurse fordert deshalb Andrea Gollbach, Vorstand von Wildwasser, einem Verein, der gegen sexualisierte Gewalt kämpft. "Die Täter müssten die Kurse mitbezahlen. Schließlich verursachen sie die Kosten ja auch."

Vorstellbar wären außerdem Aufklärungskampagnen in Clubs und Plakataktionen, die sich an Männer richten. "Viele wissen nicht einmal, dass sie sich strafbar machen, wenn sie Sex mit Zwangsprostituierten haben", sagt Juliane von Krause, die seit Jahrzehnten für Frauenrechte und gegen Menschenhandel kämpft. Gerade bei Zwangsprostitution seien die Nachfrager mitverantwortlich. In Stuttgart gab es deshalb bereits eine große Plakatkampagne. Slogans wie "Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar" oder "Kondome benutzt man, Frauen nicht" sollten da Männer zum Nachdenken bringen. Juliane von Krause hält so etwas auch in München für denkbar.

All diese Ideen könnten in den Aktionsplan einfließen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll er umgesetzt werden - so zumindest sieht es die Europäische Charta für Gleichstellung vor, die München unterzeichnet hat. Damit es kein Papier bleibt, das irgendwann in einer Schublade verschwindet, sollen die Maßnahmen möglichst konkret festgelegt werden - auch mit dem Geld und dem Personal, das dafür notwendig ist.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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