Werte-Erziehung an Schulen:Zweifel am guten Vorbild

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Nachholbedarf auch bei Automanagern und Politikern

"Schüler sollen Werte lernen" vom 25. Juli:

Aktionismus

Eine lobenswerte Initiative! Doch wie so oft ist der Weg das Ziel, und den über die Schüler zu gehen, ist sehr bequem. In einer Welt, in der sich Eltern mit ihren Kindern beim Essen über das Smartphone unterhalten, Manager ihre Kunden zum Beispiel beim Autokauf betrügen (Abgaswerte), Politiker ihren Wählern vor der Wahl alles versprechen, von ihrem Versprechen aber nach der Wahl nicht mehr viel wissen wollen und bei vielen Egoismus in Form von Selbstverwirklichung vorherrscht; in der Politiker bei der Erstellung ihrer Doktorarbeit betrügen, Stundenplanmacher den Stundenplan nur zu ihrem Vorteil gestalten, der Unterricht ist Nebensache; Schulleitungen nur nach Außen hin glänzen wollen, ihren Unterricht aber vernachlässigen, um sich am Vormittag ihren Dienstpflichten zu widmen, da sollen es jetzt die Schwächsten in dieser Welt, die Jugendlichen, wieder richten.

Werteerziehung wäre eigentlich Aufgabe der Eltern und der Lehrer und Schulleitungen, ja auch Vorgaben vom Kultusministerium wären sinnvoll. Aber diese müssen dann auch im Konsens umgesetzt werden. Doch dies funktioniert heute nicht mehr, denn es kostet ja Anstrengung, mal Nein zu sagen, auch mal Entscheidungen zu treffen, die nicht im Einklang mit den Jugendlichen sind, nicht unbedingt als Eltern oder Lehrer Freund der Kinder zu sein, sondern auch Erzieher, der Werte vermittelt. Diese Werte sollten wir als Erwachsene vorgeben und vorleben. Aber bei der Definition von Werten werden wir auch keine Einigung erzielen. Jetzt sollen dies also mit großem Aufwand die Schüler schaffen! Ich halte den Vorschlag von Kultusminister Sibler für Aktionismus im neuen Amt, der wohl wie so viele Veränderungen in der Schule irgendwann im Sande verläuft. Wolfgang Keil, Ingenried

Zynischer Beigeschmack

Die Initiative des bayerischen Kultusministeriums zur Stärkung der Wertevermittlung an Schulen begrüßen wir grundsätzlich. Allerdings sind wir veranlasst, an der Konsensfähigkeit des intendierten Wertespektrums zu zweifeln: Denn zunehmend xenophobe Äußerungen bayerischer Staatsvertreter, Absagen an den menschenrechtsorientierten Wertekonsens unserer Gesellschaft, Sehnsucht nach "Konservativer Revolution" haben wir ernst zu nehmen. Längst ist die bayerische Staatsregierung unübersehbar Aktivposten der Neuen Rechten, die sie so heroisch-aufopfernd zu bekämpfen vorgibt.

Glaubwürdigkeitsprobleme mögen dabei durchaus kalkuliert sein. Ängste (vor Sündenböcken) schüren, um sich dann als Retter in unsicheren Zeiten feiern/wählen zu lassen, mischt - unabhängig vom äußerst zweifelhaften Erfolg solch kruder Strategien - den sinnvollsten Initiativen allerdings einen zynischen Beigeschmack unter. Nachdem das Kultusministerium im Bildungsausschuss des Landtags Anti-Mobbingkonzepte schlicht für überflüssig erklärt, können wir Herrrn Siblers Toleranz-Vorstoß "Werte machen Schule" nur wünschen, dass das breit unterstützte Konzept die Einbindung der Schüler als demokratisch-emanzipativen Willensbildungsprozess sattelfest organisiert und einem interpretierenden Auslesen des "Volkswillens" durch Verfechter rückwärtsgewandter Wertevorstellungen entgegenzustehen vermag. Joachim Willberg, München

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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