Werkbundsiedlung:"Das ist eine letzte und historische Chance"

Lesezeit: 2 min

Ein neues Modell der abgelehnten Werkbundsiedlung soll die Stadt zum Einlenken zwingen. Das Konzept der CSU fand bei Fachleuten und Beteiligten bereits Zustimmung.

Joachim Käppner und Alfred Dürr

Hat die Werkbundsiedlung noch eine Chance? Zumindest fordert das die CSU. Sie will am Mittwoch im Bauausschuss beantragen, dass das 2007 im Stadtrat abgelehnte avantgardistische Projekt doch gebaut wird, und legt dazu ein neues Konzept vor. Dieses soll die Bedenken von Rot-Grün ausräumen. Der frühere Vorsitzende der Werkbund-Jury, der Architekturprofessor Uwe Kiessler, sagte der SZ, das Konzept "entkräftet die bisherigen Widerstände gegen die Siedlung ganz entscheidend".

Hell und licht: Modell der Werkbundsiedlung Wiesenfeld, die im Westen Schwabings entstehen sollte, 2007 aber keine Mehrheit im Stadtrat fand. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Am Mittwoch will der Bauausschuss über die Zukunft des ehemaligen Luitpoldkasernen-Areals in Schwabing beraten; auf einem Teil des weitläufigen Baugeländes hatte die Werkbundsiedlung des japanischen Star-Architekten Kazunari Sakamoto entstehen sollen. Das Konzept sah 24 futuristische, sehr unterschiedliche Wohntürme in einer weitläufigen Grünanlage vor.

Die Rathauskoalition kippte den Plan aber im Herbst 2007: Er integriere nicht genug preiswerte Sozialwohnungen und sei ökologisch fragwürdig. Die CSU plädiert nun dafür, die Werkbundsiedlung eben doch auf dem alten Kasernengelände "im freien Wohnungsbau zu realisieren, den Anteil des geförderten Wohnungsbaus aber westlich der Heßstraße". Das bedeutet: Die von der Stadt verlangten Sozialwohnungen würden einfach neben die Werkbundsiedlung gesetzt und nicht in diese integriert.

Rot-Grün in Zugzwang

"Wir haben einen Weg gefunden, wie das kühnste Projekt moderner Architektur doch noch eine Chance in dieser Stadt hat. Die Bedenken der Ratsmehrheit sind nun hinfällig", sagt Walter Zöller, Planungssprecher der CSU-Stadtratsfraktion: "Die Werkbundsiedlung ist nach wie vor der beste Weg, aus der beklagenswerten Monotonie des Münchner Städtebaus hinauszukommen." CSU-Fraktionschef Josef Schmid sagte der Süddeutschen Zeitung, "die Ablehnung des Projekts hat den Ruf der Kulturstadt München beschädigt. Wir legen einen Entwurf vor, der alle Bedenken berücksichtigt". Rot-Grün sei "in Zugzwang".

Der Planungssprecher der Grünen, Boris Schwartz, hält den Vorstoß der CSU für "Unfug". Die Stadt sei zu Recht stolz auf die "Münchner Mischung", die in neuen Wohngebieten auch die sozial Schwächeren berücksichtigte: "Wenn man für die Werkbundsiedlung jetzt eine Ausnahme macht, fragen uns die anderen Privatinvestoren: Wieso nicht für uns?" Die Diskussion um die Werkbundsiedlung sei "geführt und beendet".

Das Aus für die Siedlung war nicht nur in der Fachwelt auf massive Kritik gestoßen, selbst innerhalb des Rathausbündnisses gab es Unzufriedenheit. Die Entscheidung fiel noch dazu kurz nach Amtsantritt der neuen Stadtbaurätin Elisabeth Merk, einer Anhängerin des Projektes, die damit sofort eine schwere politische Niederlage erlitt. Vielleicht war das aber doch noch nicht das letzte Wort.

Der Münchner Architekt Uwe Kiessler, der die Jury des Werkbund-Wettbewerbes geleitet hatte, begrüßte den Vorstoß der CSU: "Das Konzept entkräftet die bisherigen Argumente gegen die Werkbundsiedlung entscheidend." Die Sozialwohnungen könnten nun neben dem eigentlichen Werkbund-Gelände gebaut werden. Damit sei für ihre Integration kein Millionen-Mehraufwand nötig.

Kiessler ist sicher, dass ein unabhängiger Bauträger für das Konzept der CSU zu finden ist. Ihm stimmte Matthias Ottmann zu, Chef der am Projekt beteiligten Südhausbau und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Werkbundsiedlung. Ottmann sagte, die Beratung am Mittwoch sei "eine letzte und historische Chance, einen Fehler zu korrigieren". Die freien Bauträger seien zu neuen Lösungen bereit. Die Werkbundsiedlung, so Ottmann, "ist für München mindestens genauso wichtig wie die BMW-Welt oder die Allianz Arena - mit dem Unterschied, dass sie auch im Wohnungsbau den ganz großen Wurf wagt".

Dass die Werkbundsiedlung eine "ökologische Nullnummer" gewesen sei, wie Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) kürzlich behauptet hatte, weisen Kiessler und Ottmann zurück. Es sei möglich, die frei stehenden Häuser so zu dämmen, dass der Wärmeverlust äußerst gering sei. Kiessler: "Langweilige Stadtquartiere wollen die Menschen nicht, sie ziehen dann aufs Land und sind mit dem Auto unterwegs. Ist das ökologisch?"

© SZ vom 14.07.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: