Werk Emil Noldes:Verschollene "Nadja" zum ersten Mal gezeigt

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Vor den Nazis gerettet, bei einer Spedition verstaubt, 30 Jahren lang verschwunden und jetzt wieder da: Emil Noldes Werk "Nadja" ist in München der Öffentlichkeit präsentiert worden. Zum ersten Mal.

Birgit Lutz-Temsch

Am Ende musste es ganz schnell gehen mit "Nadja": Robert Ketterer, der Chef des Münchner Auktionshauses Ketterer Kunst, zeigt, wie liebevoll Emil Nolde sein Werk auf den Leinwandrahmen genagelt hat. Die Leinwand reichte nicht ganz um das Holz herum, und deshalb schlug der Künstler kurzerhand einen Nagel vorne drauf, in die linke obere Ecke. Und pinselte nochmal schnell drüber. So war das damals, 1919, mit "Nadja".

Das ist "Nadja" - gemalt von Nolde. (Foto: Foto: Birgit Lutz-Temsch)

Jetzt ist das Bild zwischen 1,2 und 1,8 Millionen Euro schwer und hat eine Geschichte hinter sich, die sich liest wie ein Kriminalroman. An dessen vorläufigem Ende stand heute die spektakuläre Präsentation im Münchner Bankhaus Merck. Spektakulär deshalb, weil das Bild 30 Jahre lang verschwunden war. Und Deutschland zwar nie verlassen hat, aber abgesehen von einer Ausstellung 1928 nie öffentlich gezeigt wurde. Bis heute. In den nächsten Wochen geht das Bild auf Welt-Tournee, bevor es schließlich im Gartensaal des Prinzregententheaters versteigert wird.

Ursprünglich gehört hatte "Nadja" Ernst Rathenau, dem Cousin des Außenministers der Weimarer Republik, Walther Rathenau. Als dieser 1938 emigrieren musste, brachte seine Sekretärin das Bild im Tresor des Bankhauses Merck in Berlin in Sicherheit. Dort überstand es den Krieg unbeschadet und wurde danach nach Freiburg gebracht, wo es fortan bei einer Spedition einlagerte. Als 1977 Aufnahmen für ein Werkverzeichnis gemacht wurden, war das Bild dort auch immer noch. Zwei Jahre später allerdings, 1979, war es weg.

Fund auf dem Dachboden

Wohin das Bild verschwunden war, blieb bis zum Sommer 2006 ungeklärt. Bis ein 84-jähriger Sammler "Nadja" über einen Rechtsanwalt bei der Polizei abgeben ließ. Er hatte das Bild bei seiner Tochter auf dem Dachboden gefunden. Wie die Kriminalpolizei ermittelte, war die Frau wohl in den Diebstahl verwickelt und hatte Selbstmord begangen.

Die rechtmäßigen Eigentümer, die Erben Rathenaus, wollen das Werk nun versteigern lassen. Keine alltägliche Versteigerung für Robert Ketterer: "In den vergangenen zehn Jahren sind etwa sechs vergleichbare Werke Noldes auf den Markt gekommen", sagt er. Davon sei eins zweimal versteigert worden: "Das rotblonde Mädchen". 1998 erzielte es 800.000 Euro, 2006 2,7 Millionen Euro.

"Bilder wie 'Nadja' gibt es auf dem Markt nicht mehr. Es ist perfekt: Es ist in der richtigen Zeit entstanden, zeigt das richtige Sujet, ein Mädchen, und da es immer in Tresoren oder an anderen verschlossenen Orten lag, ist es hervorragend erhalten, weil es den vielen Restaurierungen, die in Museen gerne vorgenommen worden, entkommen ist."

So sei an dem Bild alles noch genauso wie damals, als Nolde den Nagel in das Bild haute, sogar die Firnis sei noch die gleiche. "Die Farben sind exakt so, wie sie Nolde gemalt hat. Dadurch entwickelt das Bild eine unglaubliche Strahlkraft", so Ketterer. Wer Nadja übrigens war, das ist und bleibt ein Geheimnis, man könne nur spekulieren, ob es sich um Noldes Frau Ada handle oder eine andere Frau aus dem Künstlermilieu um Nolde und seine Frau. Vielleicht, vielleicht, war Nadja aber auch eine Münchnerin - denn 1919 war Nolde auch eine Zeitlang in München.

Eine Vorbesichtigung ist zu folgenden Terminen möglich: 24.-26. Mai Hamburg 2.-6. Juni Berlin 7.-11. Juni München, jeweils bei Ketterer Kunst.

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