Weitere Briefe:Zynisches aus dem Zoo und andere Ethik-Fragen

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Ethik als Pflichtfach

"Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an religiösen Übungen gezwungen werden." So steht es in Artikel 140 des Grundgesetzes. Das gilt unstrittig auch für den Religionsunterricht ( "Im Namen des Vaters und aller anderen" vom 11. November) - egal, ob er "weltanschaulich sensibel" gestaltet wird oder nicht. Wenn Eltern (beziehungsweise Schüler ab dem Zeitpunkt der Religionsmündigkeit, also ab 14) sich für den Ethikunterricht entschieden haben und nicht ausdrücklich der Teilnahme am Religionsunterricht zustimmen, haben sie eine Freistunde, falls der Ethikunterricht entfällt. Die jetzige Situation zeigt, dass es nur eine dauerhaft befriedigende Lösung gibt: Ethik muss Pflichtfach für alle werden, zumal die dort maßgeblichen Werte des Grundgesetzes und der allgemeinen Menschenrechte für alle verbindlich sind. Zusätzlich ist ein Wahlunterricht für jene anzubieten, die in der Glaubens- und Morallehre ihrer Religion unterwiesen werden wollen. Gerhard Rampp, Augsburg

Verkehrte Welt des FC Bayern

Das neue Flaggschiff des PC Bayern in der Weinstraße verblüfft durch eine plastisch wirkende Sgrafitto-Fassade ( "Das Haus schmückt" vom 9. November). Sie wurde computergestützt aufgebracht und soll an alte Handwerkstraditionen erinnern.

Allerdings ist dem Computer ein Fehler unterlaufen, der den Handwerkern damals nicht passiert wäre: Sgrafitto-Fassaden wurden als Trompe-l'oeil geschaffen, das heißt, erhabene Fassadenteile wie Pilaster und Stuckaturen wurden mit Schatten vom Sonnenlicht versehen, um plastisch zu wirken.

Auf der Fassade am Frauenplatz beim Münchner Liebfrauen-Dom würde die Sonne allerdings im Norden stehen - so, wie auf der südlichen Erdhalbkugel. Oder soll dies das globale Interesse des FC Bayern andeuten? Dieter Graf, München

Zynismus aus dem Zoo

Der Nürnberger Zoodirektor, Dag Encke, verkauft den Leser des Interviews "Sterben für den Artenschutz" (7./8. November) wie seine Zoobesucher offenbar für dumm. Weil es sich herumgesprochen hat, dass Zoos nicht gerade artgerecht sind und trotz Bemühungen nicht sein können, haben deren Verantwortliche sich als Rechtfertigung den Artenschutz zugelegt. Der wird nun auch im Falle eines wunderschönen, aber zeugungsunwilligen Löwen angeführt.

Zwar sagt der Interviewte selbst, dass es aufgrund gelungener Züchtungen viel zu viele Löwen gibt, um sie unterbringen zu können. Leider ist aber Nürnberg bei diesen Züchtungen gerade nicht dabei und kann die Welt und die Presse nicht mit süßen kleinen Löwen beglücken und dabei Kasse machen. Wenn man später die ausgewachsenen Löwen nicht mehr brauchen kann, kann man sie ja jederzeit entsorgen.

Der sogenannte Artenschutz kann sich im Falle von Raubtieren sowieso nur auf die Enklave der Zoos beziehen, da, soviel ich weiß, in Gefangenschaft aufgewachsene Tiere nicht ausgewildert werden können - wenn es überhaupt noch genug Wildnis gibt. Sie haben nicht gelernt, sich selbständig zu ernähren und wären wohl auch eine Gefahr für den Menschen.

Das Argument des Artenschutzes widerlegt sich bei dem Nürnberger Löwen also selbst. Dieser mag noch so schön sein, für seinen Direktor ist er nur ein nutzloser Kostgänger. Ich hoffe, dass nicht alle Zoodirektoren ein so zynisches Verhältnis zu ihren Tieren haben. Dankenswerterweise hat die Süddeutsche schon in der Überschrift des Artikels auf diesen Zynismus hingewiesen. Barbara Eschenburg, München

© SZ vom 16.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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