Weihnachtsbotschaft von Marx:Unverwüstliches Fest

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Eine Gesellschaft, die nur Werte wie Selbstverwirklichung und Eigeninteresse vor Augen hat, hat keine Zukunft. Die Christen müssen dieser Gesellschaft auf die Sprünge helfen.

Erzbischof Reinhard Marx

Jedes Jahr wird über den Konsumrausch in der Adventszeit geklagt und darüber, dass der Inhalt von Weihnachten überlagert wird von materiellen Wünschen. Gerade in diesem Jahr, in dem so viel von Krisen die Rede ist, könnte die Sehnsucht nach Harmonie, nach "ein bisschen Frieden" und danach, wohl versorgt zu sein, noch stärker sein. All diese Bedenken haben eine gewisse Berechtigung, aber ich möchte umgekehrt argumentieren: Ein Fest, das einem so gewaltigen Ansturm an Wünschen, Interessen, Überfremdungen und Verzerrungen standhält, ist und bleibt unverwüstlich.

"Mich ergreift die Weihnachtsbotschaft immer wieder aufs Neue": Reinhard Marx. (Foto: Foto: dpa)

Mich ergreift die Weihnachtsbotschaft immer wieder aufs Neue: Der, der größer nicht gedacht werden kann, den wir Gott nennen, lässt sich in einer ärmlichen Höhle in Bethlehem als Kind zur Welt bringen. Dank Weihnachten wird neu ins Blickfeld gerückt, wer Gott ist, wer wir als Menschen sind. Es ist ein Bild der Gewaltlosigkeit, der Liebe, der Solidarität zwischen Himmel und Erde, ein Bild, das nicht sentimental ist, sondern zutiefst erschütternd. Wer gläubig vor dem Kind von Bethlehem kniet, wird verwandelt.

Wenn fast eine ganze Gesellschaft sich dem Bild von Bethlehem aussetzt, zeigt das mehr vielleicht kulturelle Gemeinsamkeit, als man in einer weltanschaulich offenen Gesellschaft erwarten kann. Mag sein, dass ich das sehr zuversichtlich beschreibe, aber wir sollten nicht immer nur Defizite sehen, sondern auch das, was weiterführt, was Hoffnung gibt.

Das Weihnachtsfest ist unverwüstlich, es gehört zum Grundbestand unseres Lebens. Das Weihnachtsevangelium ist natürlich kein Rezeptbuch für konkrete Lösungungen aller Probleme. Doch es ist eine Leitschnur, die fest im Blick bleiben muss, wenn wir nicht in Sackgassen landen wollen. Ein wichtiger Hinweis ist: Gott nimmt in der Menschwerdung seines Sohnes teil an der Geschichte, setzt sich den Grenzen von Raum und Zeit aus und nimmt sie so an. Deswegen gehört es zu den wichtigsten Haltungen eines Christen, die geschichtliche Zeitstunde anzunehmen und sich nicht in Traumwelten zu verlieren. Unser Leben ist eine einmalige Chance, die nicht wiederkommt, und deswegen ist es kostbar.

Gott ist kein Individualist!

Eine Gesellschaft, die nur Werte wie Selbstverwirklichung und Eigeninteresse vor Augen hat, hat keine Zukunft. Gott ist kein Individualist! Gott zeigt sich als Liebe, die Beziehung sucht, Gemeinschaft schafft und Kommunikation ist. Und der Mensch ist nach seinem Bild geschaffen. Unsere Freiheit findet ihre Vollendung in der Liebe.

Die Weihnachtsbotschaft verlangt von uns nichts, was uns überfordert. Im Gegenteil: Die Geburt des Größten in der Gestalt des Kindes erschließt uns eine Kraftquelle. Deshalb sind gerade die Christen gefordert, in geistlicher Lebensfreude Muntermacher in der Hoffnung zu sein und einer Gesellschaft auf die Sprünge zu helfen, die oft im Denken in Besitzständen und Egoismen verhaftet ist. Weihnachten ist nicht nur ein unverwüstliches Fest, es ist ein froh machender Auftrag!

© SZ vom 24.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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