Wegen NS-Vergangenheit:Leonhard-Moll-Bogen wird umbenannt

Lesezeit: 3 Min.

Die Bauarbeiter Leonhard Molls rückten im Auftrag der Stadt am 9. Juni 1938 an, um die Synagoge in der Max-Herzog-Straße abzureißen. (Foto: dpa/dpaweb)

Der Bauunternehmer Leonhard Moll war Profiteur des NS-Regimes. Jetzt muss die Politik einen neuen Namen finden für die Straße in Sendling-Westpark, die noch nach ihm benannt ist.

Von Martin Mühlfenzl

Die Bauarbeiter rücken am 8. Juni 1938 an. Doch ihre Aufgabe ist es nicht, etwas aufzubauen - sondern etwas niederzureißen. Die Arbeiten, die von der Münchner Firma Leonhard Moll ausgeführt werden, sind Vorboten jener schrecklichen Ereignisse, die Monate später - am 9. November - in die Pogromnacht münden. Die Stadt verfügt im Juni 1938, dass die jüdische Gemeinde ihre Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße für nur wenige tausend Reichsmark zu verkaufen hat. Kurz darauf beauftragt sie Leonhard Moll mit dem Abriss - und dem Bau eines Parkplatzes.

Jenen Münchner Unternehmer, der noch in den Jahren 1930 und 1931 den neuen Dachstuhl der Synagoge an der Reichenbachstraße errichtet hatte. Jenen Firmengründer, der später - 1944 - mit dem Bau einer Bunkeranlage bei Landsberg am Lech beauftragt wurde - dort sollte der Düsenjäger Messerschmitt Me 262 als eine der letzten "Wunderwaffen" der Nazis im längst schon verlorenen Krieg gebaut werden. Jenen Leonhard Moll, nach dem viel später - 1990 - eine etwa 200 Meter lange, unscheinbare Straße im Stadtviertel Sendling-Westpark benannt wurde - der Leonhard-Moll-Bogen zwischen Hansastraße und Garmischer Straße.

Am 9. April hat der Ältestenrat des Münchner Stadtrats beschlossen, den Leonhard-Moll-Bogen umzubenennen. Die Stadt begründet die Namensänderung: "Inzwischen hat sich die Sichtweise auf Personen und deren Aktivitäten in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes erheblich verändert." Nun hat der Bezirksausschuss Sendling-Westpark die Aufgabe, über einen neuen Namen zu befinden - dies ist üblich, wenn der Ältestenrat festlegt, dass die Straße künftig nicht nach einer Persönlichkeit benannt werden soll.

Die Landeshauptstadt München tut sich traditionell schwer mit fragwürdigen Straßennamen. Im Fall des Leonhard-Moll-Bogens jedoch entschied der Stadtrat einstimmig. "Straßennamen, die Personen ehren, die mit dem Regime in enger Verbindung standen, werden zwischenzeitlich noch kritischer betrachtet", geht aus der Begründung des Gremiums hervor. Die betonte "Zwischenzeit" dauerte gerade einmal 24 Jahre. 1989 legten die damaligen Stadtratsmitglieder fest, die einstige Tübinger Straße zu Ehren des Münchner Unternehmers umzubenennen; am 1. Januar 1990 erfolgte die offizielle Namensänderung. Die Stadträte begründeten dies unter anderem mit einer "großzügigen Spende für Altenheime", die das Unternehmen der Landeshauptstadt kurz nach dem Krieg zukommen ließ.

Auch führten die Mitglieder des Gremiums zahlreiche Projekte an, die Leonhard Moll in München umgesetzt hatte: das Polizeipräsidium, den Kuppelbau des Münchner Tiergartens, die Technische Hochschule. Und nicht zuletzt, lobte der Stadtrat, konnte auf dem ehemaligen Bauhof des Unternehmens 1983 die Internationale Gartenschau ausgerichtet werden - heute bekannt als Westpark und beliebtestes Ausflugsziel der Münchner. "Wir sind aber froh, dass der Name nun geändert wird", sagt die noch amtierende Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Sendling-Westpark, Ingrid Notbohm (SPD).

Im Fall des Unternehmers Leonhard Moll liegt der Sinneswandel des Stadtrats in der späten Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeiter in München begründet. Erst in den Neunzigerjahren erschienen Studien, in Auftrag gegeben von der Stadt München, die den Einsatz von Zwangsarbeitern in den Werken von Moll belegten.

Wenn es um die Namen historisch umstrittener Persönlichkeiten geht, mahlen die Mühlen der Verwaltung langsam: Jahrelang etwa zog sich beispielsweise der Streit um die Umbenennung der Meiserstraße hin, die dann 2010 erfolgte. Der Konflikt um den umstrittenen ehemaligen Landesbischof der evangelischen Kirche in den Jahren von 1933 bis 1955, Hans Meiser, der sich antisemitisch geäußert hatte, endete letztlich vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht - heute heißt die Straße in der Maxvorstadt nach Luthers Frau Katharina-von-Bora-Straße.

Nicht immer führt die Diskussion dazu, dass Straßennamen auch tatsächlich umbenannt werden: In Pasing hatte der Bezirksausschuss von der Stadt prüfen lassen, ob der einstige Pasinger Oberbürgermeister Alois Wunder (1878-1974), nach dem im Viertel eine Straße benannt ist, den Nationalsozialisten näher stand, als bislang angenommen. Das Kommunalreferat kam nun zu dem Schluss, dass die Straße den Namen behalten kann. In anderen Stadtteilen tobt ein erbitterter Streit über zahlreiche Straßen, die noch immer die Namen deutscher Kolonialisten und Imperialisten tragen. Adolf Lüderitz, Friedrich von Erckert, Karl Freiherr von Gravenreuth, Theodor Gotthilf Leutwein - diese Namen stehen für die Schrecken des deutschen Kolonialismus. Immer wieder wird gefordert, die Straßennamen in Trudering-Riem und Bogenhausen zu ändern.

Der BA Sendling-Westpark muss nun nach einer möglichst neutralen und konfliktfreien Lösung suchen. Allerdings ärgert sich Ingrid Notbohm - trotz ihrer Zustimmung zur Umbenennung des Leonhard-Moll-Bogens - über den Ältestenrat: "Eigentlich hätte der BA zuvor angehört werden müssen. Das aber ist nicht geschehen." Das Gremium habe die Entscheidung wohl noch vor der Kommunalwahl durchpeitschen wollen, vermutet Notbohm: "Aber wir stehen natürlich zu der Entscheidung. Sie ist richtig und setzt ein Zeichen."

© SZ vom 26.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: