Waldemar Hartmann:Hose runter in der Schwarzwaldi-Klinik

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Moderator Waldemar Hartmann ist sich auf der Kabarett-Bühne für nichts zu schade. Ein Abend mit grandiosen Momenten - und mit schrecklich peinlichen.

Carsten Matthäus

Wenn einer als "Duzmaschine", "Kumpeleiqualle" und "mopsig-joviale Inkarnation rettungsloser Selbstliebe" beschimpft wird und sich dann auf eine Bühne wagt, dann muss er Mut haben.

Eher selbstgefällig als selbstironisch: Waldemar Hartmann versucht sich als Kabarettist. (Foto: Foto: Rumpf)

Wenn dieser Mann außerdem jahrzehntelang im ARD-Olymp der deutschen Sportmoderatoren logierte und nach 30 Jahren in Bayern unehrenhaft verstoßen wurde, dann hat er vermutlich genug Ärger in sich für eine ordentliche Abrechnung. Wenn das Bühnenprogramm dann auch noch den Untertitel "30 Jahre in der Anstalt" trägt, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Gnadenlos lustig oder einfach nur gnadenlos.

Aber es gibt eben auch Waldemar "Waldi" Hartmann, der es in seinem Soloprogramm mit dem Titel "Born to be Waldi" auf seine Art macht. Bei der Premiere füllt er den kleinen Saal des Münchner Lustspielhauses mühelos. Gefühlt die Hälfte der Zuschauer zählt ohnehin zu seinem Freundeskreis, darunter auch der SPD-Outlaw Wolfgang Clement und natürlich Harald "Harry" Schmidt, der ihm zuvor geraten hatte: "Du musst plaudern. Fang bloß nicht an zu spielen."

Der Waldi von nebenan

Vor dem Auftritt genießt der "Wattebäuschchenwerfer des deutschen Journalismus" (Hartmann über Hartmann) das Bad in der Menge seiner Fans, umarmt Freunde, lächelt Fremde gewinnend an und ist ganz der Waldi von nebenan.

Als Hartmann zum Aufwärmen ein "Best of" seines Fotoalbums an die Wand wirft, wird das Lustspielhaus kurz zum heimeligen, abgedunkelten Wohnzimmer und der Moderator hat sein Publikum gewonnnen, bevor er überhaupt zu reden beginnt. Hartmann mit all den Fußballgöttern, ihren Bomberjacken und Manta-Frisuren. Er selbst mal mit, mal ohne Schnurrbart, für keinen Ulk zu schade, ein echter Kumpel. Waldi, die Duzmaschine.

Eher Stammtisch als Kabarett

Deshalb werden auch die ersten Gehversuche als Kabarettist vom Publikum wohlwollend beklatscht. Richtig ausgefeilt sind die Witze über gierige Banker nicht, auch die Imititation eines sächsischen Tierpflegers ist nicht überragend. Ab und an lässt er eine Spitze gegen die ARD-Oberen los, auch das wirkt eher stammtischmäßig als komisch ("Manche sind da wie Affen - der Arsch wird größer, je höher man steigt").

Aber Hartmann garniert sein Programm gleich zu Beginn mit vielen witzigen Einspielfilmen und Geschichten. So erzählt er, dass er ein Moderatoren-Casting gegen Günther Jauch deshalb gewonnen hatte, weil der zu diesem Zeitpunkt so jung aussah, "als bräuchte der sogar beim Überqueren eines Zebrastreifens noch einen Schülerlotsen". Das Bild vom jungen Jauch tut sein Übriges, Hartmann hat gewonnen.

Lesen Sie auf Seite 2, warum der Abend fast noch in die Hose ging - und wie Czaba Schablusa ihn rettete.

Seine Glanzrolle hat Waldemar Hartmann - selbst kein Kost- und Schnaps-Verächter - wenn er Geschichten von der Bar und vom Spielfeldrand erzählt. Von Schiedsrichtern, die sturzbetrunken vom Feld geführt werden, von der Hackordnung auf dem Bayern-Balkon, von gefräßigen Fußballmanagern und verwetteten Lederhosen.

Es war nicht alles schlecht: Waldemar Hartmann versucht sich als Kabarettist. (Foto: Foto: ddp)

Es schien ein schöner Waldi-Abend zu werden. Bis der Arzt kam. Hartmann hatte den Rat seines Freundes Schmidt nämlich leider nicht befolgt, er fing an zu spielen - und das ging gründlich in die Hose.

Er wäre gern Chefarzt der Schwarzwaldi-Klinik, hob er an, um dann eine nichts als peinliche Abfolge zotiger Sprüche abzulassen: "Tuttifrutti mit Tupfer" würde da geboten, der Schwarzwald sei "St. Pauli mit Bäumen", es gäbe da ganz viel für "Höhlenforscher" zu tun und ganz viele "Freistöße". Haha.

Spielerfrauen im "Nagelstudio"

In diesem Stil ging es viel zu lange weiter und wurde fast unerträglich, als dann auch noch von der abflauenden Potenz alternder Männer die Rede war. Auch über die schönen Spielerfrauen fachsimpelte der 61-Jährige, dass da einige von denen wohl am Schlafzimmer das Schild "Nagelstudio" hängen hätten. Haha.

Waldi versuchte es noch mit einer ganzen Latte (Haha!) Witzen dieser Art, aber die gute Stimmung vom Beginn war damit kaputt. Zudem mussten natürlich die Wutrede von Rudi Völler und zwei Paulaner-Spots gezeigt werden - mit Hinweis auf den Gewinn der Goldenen Kamera. Selbstironisch war das nicht mehr, eher selbstgefällig. Von Lattenkracher keine Rede.

Ein von Ottfried Fischer aufgesetztes Zwiegespräch von Pfarrer Braun mit Gott musste der sonst so textsichere Fernsehmoderator sogar vom Blatt lesen. Die Schlusspointe: "Wo die ARD vernünftige Entscheidungen trifft, weiß nicht einmal Gott", wurde auch von dem sehr wohlwollenden Publikum nur noch matt mit vereinzelten Klatschern quittiert. Da wäre es fast vorbei gewesen mit dem Wohlwollen im Lustspielhaus.

Ein Spieler, der nie gelebt hat

Aber das Waldi-Spiel hatte mit Pause fast 150 Minuten - und Hartmann noch eine gute Geschichte für den Schluss: Die von Czaba Schablusa. Einem Sportler, von dem im Bayerischen Rundfunk in den verschiedensten Sportmoderationen die Rede war, der aber niemals gelebt hat.

Mit dem öffentlich-rechtlichen Beleg - einem "Rundschau"-Film aus den achtziger Jahren, in dem Schablusa ein Tennismatch für sich entschied - holte Waldi sein Publikum in letzter Minute zurück. Als er dann auch noch einen Fernsehauftritt zeigte, bei dem ihm die Hose platzte, war der Abend für Waldi-Fans endgültig gerettet.

Seinen Kritikern gab er zum Schluss den sächsischen Satz mit auf den Weg: "S' war ja doch nischt alles schlescht". Ja, Waldi, nicht alles.

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