"Wahnsinnig gemütlich":Der Wunderwürfel

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Wenn man sich nicht drinnen niederlassen will, lädt die Holztreppe dazu ein, es draußen zu tun. Auf dem Foto steht das Haus noch in Berlin. (Foto: Thorsten Monschein)

Innenarchitektur-Studenten der Hochschule Rosenheim haben das Projekt "35 Kubik Heimat" geschaffen. Und sie haben alle schon darin zur Probe gewohnt

Von Anna Hoben, München

Zu große Möbel, der kleine Raum vollgestopft mit Sachen, zwischen denen man sich kaum noch bewegen kann: "Die meisten Tiny Houses sind geschrumpfte Versionen von konventionellen Häusern", sagt Denise Dih, Professorin für Innenarchitektur an der Hochschule Rosenheim. Ihre Studenten sind die Sache anders angegangen, ihr Mini-Haus ist zunächst einfach leer, wenn man es betritt. Ähnlich wie Leonardi di Chiaras Haus. "35 Kubik Heimat", so haben die Studenten ihr Häuschen getauft. Und auch wenn es zunächst nicht so erscheint, es ist alles drin, was man so braucht: Möbel sind in doppelte Böden und Wände eingelassen, es gibt eine Küche und ein Bad mit Kompost-Toilette. Ein wahrer Wunderwürfel. Zusammen mit di Chiaras "Avoid" wird es von diesem Donnerstag an bis Sonntag vor der Pinakothek der Moderne zu besichtigen sein.

Das Haus ist im vergangenen Jahr als Projektarbeit von Studenten im sechsten und siebten Semester entstanden, 19 angehende Innenarchitekten waren beteiligt. "So große Projekte haben wir sonst nicht, das war schon außergewöhnlich", sagt Denise Dih. Die Studenten hätten sich angespornt gefühlt, mehr als einen Prototypen zu konstruieren: ein funktionsfähiges Haus, mit Wasser- und Stromkreislauf und allem, was dazugehört. 35 000 Euro habe der Bau gekostet, also, wenn man nur die Materialkosten rechne, da sei noch keine Arbeitsstunde dabei. Die Hochschule stellte ein Startkapital zur Verfügung, und die Studenten machten sich auf die Suche nach Sponsoren - mit Erfolg. "Irgendwann waren sie in einem wahren Goldrausch", erinnert sich die Professorin und lacht. Doch auch die Zeit war knapp, innerhalb von knapp dreieinhalb Monaten musste das Haus fertig sein. Denn sie hatten ein Ziel, Berlin, und das hatte mit Van Bo Le-Mentzel zu tun. Der Gründer der Tiny House University hatte die Gruppe eingeladen, mit ihrem Minihaus Teil des Bauhaus-Campus zu sein. Das Projekt auf dem Areal des Bauhaus-Archivs in Tiergarten bot Architekten, Designern und auch Flüchtlingen ein Jahr lang eine Plattform, um an Antworten auf große Zukunftsfragen zu arbeiten. Es ging darum, gestalterische Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden, zum Beispiel: Wie kann künftig bezahlbarer Wohnraum aussehen? Van Bo Le-Mentzel etwa hat ein Tiny House entworfen, das er "100-Euro-Wohnung" nennt. Grundfläche 6,4 Quadratmeter, auf Rädern und mit einer Monatsmiete von, klar, 100 Euro eben. Das ist seine Antwort auf die explodierenden Mieten in den Großstädten.

Auch "35 Kubik Heimat" hat weniger als zehn Quadratmeter Grundfläche und ist somit baurechtlich gesehen gar kein Haus. Deshalb braucht man für ein Tiny House auch keine Baugenehmigung. Ehrensache sei es gewesen, sagt Denise Dih, dass jeder der beteiligten Studenten einmal für ein verlängertes Wochenende nach Berlin fuhr, um in dem Haus zu wohnen. Sie selbst hat es auch getestet, "wahnsinnig gemütlich" sei es gewesen, und es habe sich eine kontemplative Ruhe eingestellt.

Natürlich stoße man in einem Minihaus an Grenzen, im wörtlichen Sinn und auch im übertragenen. Zum Geburtstag alle Freunde einladen, das geht dann eben doch nicht. Wie sich auf kleinstem Raum Gemeinschaft leben lässt, darüber hatten sich die Studenten beim Planen aber viele Gedanken gemacht. Die Lösung war, den Eingang mit einer großen Holztreppe auszustatten. Die bietet Platz zum Plaudern, sie wirkt einladend, auf einer Treppe sitzt jeder gern, das kennt man zum Beispiel vom Münchner Königsplatz.

Und wenn man mal groß denkt mit den kleinen Häusern? Können Tiny Houses einen Beitrag zur Lösung des Wohnungsproblems in den Großstädten leisten? Die Professorin ist skeptisch. Kostengünstiges Bauen müsse man anders denken, "und um das Wohnungsproblem zu lösen, braucht es Verdichtung", sagt Dih. Obwohl ein Bewohner in ihnen nur wenig Platz hat, seien Tiny Houses ja nicht wirklich platzsparend. "Es sei denn, man fängt an, sie vertikal zu stapeln."

Beide Minihäuser, "Avoid" und "35 Kubik Heimat" stehen von Donnerstag bis Sonntag auf dem Areal an der Pinakothek der Moderne. Besichtigungszeiten: Donnerstag 15 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 13 Uhr, Sonntag 12 bis 16 Uhr. Samstag, 11 bis 17 Uhr: Tiny-House-Fest mit Gesprächen und Vorführungen.

© SZ vom 05.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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