Wachstum:Flexiheime und überbaute Parkplätze

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Wie wird Wohnen wieder bezahlbar? Diese Frage stellt Andrea Betz (li.), Sprecherin der Wohlfahrtsverbände. (Foto: Florian Peljak)

Vertreter von CSU, SPD und Grünen stellen den Münchner Wohlfahrtsverbänden ihre Ideen gegen die Wohnungsnot vor

Von Anna Hoben

Es sind Zahlen, die einen immer wieder umhauen können: Ungefähr 10 000 Menschen in der wohlhabenden Stadt München haben keine eigene Wohnung, darunter fast 2000 Kinder. Schätzungsweise 1000 Menschen leben auf der Straße. Vielleicht verstören die Zahlen einen auch deshalb, weil sie sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht haben. Was die Parteien dagegen zu tun gedenken, wollten die Münchner Wohlfahrtsverbände, in Person ihrer neuen Sprecherin Andrea Betz, am Dienstag bei ihrem dritten Fachgespräch wissen: von CSU, SPD und Grünen.

Für die CSU saß Oberbürgermeister-Kandidatin Kristina Frank auf dem Podium, für die SPD der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Christian Müller, für die Grünen die Stadträtin Jutta Koller, die bei der Kommunalwahl allerdings nicht mehr antritt. Dazu Julia Sterzer von der Arbeiterwohlfahrt und Thomas Ballweg von der Caritas. Wer sich von der Diskussion schnelle und einfache Rezepte gegen die Wohnungsnot erhofft hat, wurde enttäuscht. Frank klopfte ihrer Partei auf die Schulter, die CSU habe in den vergangenen Jahren "sehr stark gezeigt, dass ihr Soziales wichtig ist". 870 Millionen Euro investiere die Stadt München mit ihrem aktuellen Wohnungsbauprogramm in den sozialen Wohnungsbau. Christian Müller beklagte die Vorbehalte gegen neue Wohnungslosenheime und überhaupt Neubauten in der Bevölkerung, "die Aufregungskultur der Stadtbevölkerung ist relativ weit entwickelt", stellte er trocken fest. Und Jutta Koller berichtete von Zeiten, als die Zahl der wohnungslosen Kinder weniger als 100 betrug. Um das Jahr 2000 herum war das - bessere Zeiten, lange vorbei. Die Bevölkerungszahl Münchens stagnierte damals.

Aber jetzt ist die Situation, wie sie ist. Jetzt ist München eine stark wachsende Stadt, und mit diesem Wachstum muss die Politik umgehen. Die Abdeckung mit Dienstleistungen, in Restaurants, in der Kita, in Supermärkten, "all das sehe ich zunehmend in Gefahr", sagte Sterzer - weil diese Menschen sich die Stadt zunehmend nicht mehr leisten könnten. Dass Familien aus dem Stadtgebiet verdrängt werden, dürfe nicht sein, "das passt nicht zu dem viel gepriesenen Münchner Lebensgefühl". Bauen müsse vor allem schneller werden, sagte Frank auf die Frage nach ihrem Konzept für mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Flächen seien knapp, "wir müssen alles nutzen, was sinnvoll nutzbar ist". Dazu gehörten auch die Überbauung von Parkplätzen oder Verkehrsschneisen. Bauland müsse zudem an Genossenschaften "so günstig wie irgendwie möglich" abgegeben werden. Man müsse noch intensiver mit der Metropolregion sprechen und zudem der Wirtschaft den Werkswohnungsbau wieder schmackhaft machen.

Im Kampf gegen die Wohnungslosigkeite machte sich Müller für mehr sogenannte Flexiheime stark, nur so komme man weg von der Unterbringung in Pensionen und Notquartieren. Der Vorteil an Flexiheimen: Sie können irgendwann in Wohnheime für Studenten oder Auszubildende umgewandelt werden. Auch Wohnungstauschbörsen müssten intensiviert werden, fand Koller. Man müsse ältere Menschen beim Umzug in eine kleinere Wohnung unterstützen, ohne dass diese ihren Stadtbezirk verlassen müssten. Sie sprach sich für das Instrument der Stadtentwicklungsmaßnahme aus und schlug vor, Wohnraum im Euro-Industriepark zu errichten. Zum Schluss wurde kurz die Wurzel des Problems angesprochen: die explodierenden Bodenpreise und was dagegen zu tun sei. Da holte Müller die Debatte auf den Boden der Tatsachen zurück. Das Thema könne man in anderthalb Jahren verstärkt einbringen, sagte er. Dann ist Bundestagswahl - für Reformen des Bodenrechts wäre der Bund zuständig.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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