Vorurteile über Studierende: ausgeschlafen:Der Ethnologe

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Von Isabella Falkner

(Foto: N/A)

Es ist 15 Uhr. Der Ethnologe erwacht. Er wälzt sich aus dem Bett, stranguliert sich dabei fast mit einer seiner Dreadlocks. Sein Blick fällt auf den Boden in seinem Zimmer: ein Berg von Batikhemden, Haremshosen und Reiseführern. Hier fühlt er sich wohl. Er geht ins Bad, zwinkert seinem Spiegelbild zu. Passt, Badbesuch beendet. Dann wandelt er gen Küche, macht sich dort einen Fair-Trade-Kaffee. Ein Blick in den Kühlschrank: Gähnende Leere, da hat er wohl wieder vergessen einzukaufen.

Zurück im Zimmer findet er einen Rest veganen Alnatura-Tomaten-Aufstrich. In Ermangelung von Brot löffelt er diesen direkt aus dem Glas. Langsam will er aufbrechen. In die Uni? Nein, da sieht man den Ethnologen eher selten. Er trifft sich mit seinen Kollegen vom Fach am Monopteros im Englischen Garten, wo sie bis spät in die Nacht singen und trommeln. Er liebt seine Lebensweise. Ganz im Gegensatz zu seinen Eltern: Die machen langsam Druck, weil er im 14. Semester immer noch an seiner Bachelorarbeit bastelt. Aber auf seine Eltern hört der Ethnologe grundsätzlich nicht, die sind "null tolerant". Er hingegen akzeptiert jeden so, wie er ist. Außer Menschen, die Fleisch essen oder Auto fahren. Für die hat er kein Verständnis.

Studiert Ethnologie: Anton Böhm, 22, ist kein Esoteriker. (Foto: Steffen Leiprecht)

Goldene Uhr, Hornbrille, kurze Haare. Und trotzdem studiert Anton Böhm Ethnologie? "Europäische Ethnologie", korrigiert er. Im Nebenfach: SLK - Sprache, Literatur, Kultur. Ursprünglich war sein Nebenfach Soziologie, "das hat mir aber nicht getaugt, weil es so philosophisch war", sagt der 22-Jährige. Seine Bachelorarbeit im Hauptfach Europäische Ethnologie ist fertig. Wenn er nicht gerade an der Uni ist, arbeitet Böhm ehrenamtlich im Turnverein als Leichtathletik-Trainer, im Winter ist er Ski-, im Sommer Kletterlehrer. Einmal die Woche gibt er Klavierunterricht. Und auch an der Uni engagiert er sich: Seit Studienbeginn, also 2015, schreibt er für das Unimagazin Philtrat und organisiert Feste mit. In der Fachschaft war er aber nicht, weil er nie Zeit dafür gefunden hat. Reisen ist nicht so sein Steckenpferd. "Ich habe dieses ganze Weltreiseding, was alle nach dem Abitur gemacht haben, verpasst. Ich bin aber auch nicht so gerne lange von zuhause weg, ich will dann irgendwann wieder heim", erzählt er.

Sein Zuhause, das ist in Bad Tölz, bei seiner Familie. Vegan gekocht wird bei ihm nicht, Anton Böhm isst drei- bis viermal die Woche Fleisch. Hat er Räucherstäbchen in seinem Zimmer? "Sicher nicht", sagt er und schmunzelt, "ich bin nicht so der esoterische Typ.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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