Vorurteile über Studierende: arrogant:Der Jurist

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Von Andreas Sommer

(Foto: N/A)

Der erste Sonnenstrahl des Tages fällt auf das große Himmelbett der Penthousewohnung. Der Jurastudent hängt noch den letzten Traumfetzen an die Mauritiusreise neulich nach und schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Herab auf alle Welt. Irgendwie eine schöne Perspektive. Er zieht einen Bademantel über und geht ins marmorverkleidete Bad. Eine Stunde später sitzt der Anzug, die Fliege ist festgezurrt, die Haare mit einer halben Packung Gel zurechtzementiert und die Designerbrille ohne Sehstärke aufgesetzt.

Der Jurastudent wandelt durch die geräumige, blitzsaubere Küche. Sie war ja aber auch noch nie in Gebrauch. Essensgerüche in seiner Wohnung - das mag er einfach nicht. Lieber trinkt er den ersten doppelten Espresso im Café. Weiter geht es zur Uni mit dem Porsche, den er zum 18. Geburtstag bekommen hat.

Im Hörsaal zieht er dicke Gesetzbücher, das neueste Laptopmodell und einen Kugelschreiber der Kanzlei seines Vaters aus der Aktentasche. Nicht, dass er mitschreiben würde, das Skript steht ja online zum Auswendiglernen bereit. Aber man kann mal zeigen, was man hat.

Studiert Jura: Nicole Dornberger, 23, kleidet sich gern leger. (Foto: Steffen Leiprecht)

Nicole Dornberger ist im Stress. Es geht auf das erste Staatsexamen zu - der Stoff von neun Semestern muss wiederholt werden. Vor allem aus den ersten Jahren ist einiges aufzuarbeiten. Anfangs waren ihr Arbeit und Partys ähnlich wichtig wie das Studium, das sie in Freiburg begonnen hat.

Auf das Jurastudium war Dornberger eher zufällig gekommen: bei einer Infoveranstaltung an ihrer Schule. "Dort interessierte ich mich aber auch für Kunst und Psychologie", sagt Dornberger. Niemand im engeren Familienkreis ist als Jurist tätig. Und die 23-Jährige war sich zwischenzeitlich auch keineswegs sicher, ob sie das Studium bis zum Staatsexamen durchziehen würde. Erst durch ein Praktikum beim Landgericht, dem Wechsel nach München und durch die Wahl eines neuen Schwerpunkts Völker- und Europarecht überwand sie die Krise. In diesem Bereich gebe es zwar weniger und nicht so lukrative Jobs. Allerdings seien auch bei weitem nicht alle Juristen "hinter dem großen Geld her", sagt Dornberger.

Aktuell wohnt sie in einer WG in Hadern, allerdings ist sie sechs Tage die Woche in ihrem "zweiten Zuhause", der Bibliothek. Aufgetakelt und im Kostüm? Fehlanzeige. Dornberger ist lieber lässig und bequem gekleidet.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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