Vortrag des früheren UN-Generalsekretärs:"Glaubt nicht alles"

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Kofi Annan redet mehr als 1000 Studenten ins Gewissen. (Foto: Robert Haas)

Kofi Annan warnt in der TUM vor Fake News im Internet

Von Martina Scherf, München

Demokratie erscheine uns als etwas Normales, sagt der Student Philipp Sedlmeier, "aber wir vergessen leicht, dass Menschen über Generationen dafür gekämpft haben". Und wer wäre berufener, über die Errungenschaften der Demokratie und ihre Gefährdung zu sprechen, als Kofi Annan? Der große Staatsmann, der als Generalsekretär der Vereinten Nationen bei zahlreichen Konfliktherden der Welt vermittelt und dafür 2001 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, war der Einladung der Studenten zur Speakers Series in den Audimax der Technische Universität München (TUM) gefolgt. Und er redete ihnen ins Gewissen.

Das Internet, gegründet in der Hoffnung auf Freiheit und Gleichheit aller Menschen und Meinungen, entpuppe sich heute zugleich als Instrument der Kontrolle, sagte Annan. Social Media seien zum Schlachtfeld der Manipulation geworden. Noch vor wenigen Jahren hätten sich mit Hilfe sozialer Netzwerke Demokratiebewegungen in Iran und arabischen Ländern entwickelt, jetzt mischten sich autoritäre Staaten wie Russland in Wahlkämpfe von der Ukraine bis zu den USA ein und Hacker versuchten, Wahlergebnisse zu fälschen, wie jüngst in Kenia und Indonesien. "Heute stellt sich die Frage: Sind soziale Medien ein Instrument der Emanzipation oder der sozialen Kontrolle?"

Hass, Diskriminierung und Fake News würden in Echokammern immer weiter verbreitet und den Glauben an die Demokratie untergraben. Deshalb müssten die sozialen Medien den gleichen Regeln unterliegen wie die klassischen Medien. "Wir brauchen hier die gleiche Transparenz", sagte Annan, "und klare Verantwortlichkeiten". Es sei gut, dass die Bundesregierung jetzt Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Youtube verpflichte, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Auch sei erfreulich, dass Konzerne wie Google oder Facebook bereit seien zu kooperieren. "Aber wir brauchen internationale Vereinbarungen. Und wir müssen schnell handeln", betonte Annan. Nicht umsonst hatte der Politiker in der TUM, wo mit Hochdruck auch an der Digitalisierung des Alltags und künstlicher Intelligenz geforscht wird, dieses Thema gewählt. "Ihr, meine Freunde, seid die Entscheider von morgen", rief er den Studenten zu.

"Was kann jeder von uns im Alltag tun?", fragten die Studenten und Moderatoren Nicki Weber und Julius Bock zum Schluss. Vor allem eines, antwortete Annan: "Glaubt nicht alles, was ihr hört oder lest. Prüft die Fakten, diskutiert mit Freunden, Familie, Lehrern." Demokratie sei abhängig von kritischem Denken. "Richtet euch nicht nach Umfragen, sondern fragt euch: Was sind die wahren Probleme der Menschen? Diskutiert auch mit Politikern." Demokratie lebe von der Debatte, auch über unangenehme Themen, etwa die Arbeitsplätze, die durch Digitalisierung und Automatisierung wegfallen. "Wenn ihr ein Start-up gründet, denkt auch über diese Fragen nach."

Verantwortung fange im Kleinen an, gab Annan den mehr als 1000 Studenten im Saal auf den Weg, "indem man Stopp sagt, wenn man sieht, wie einer gemobbt wird. Wenn ihr seht, dass etwas falsch läuft, tut euch mit Freunden zusammen und packt es an. Ihr seid nie zu jung, um zu führen - und ich bin nie zu alt, um zu lernen", sagte der Staatsmann unter tosendem Applaus.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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