Von wegen Knut!:Ein Macho für Rosi und Zenzi

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Wieso eigentlich ein Eisbär, wir haben doch Frischlinge: Der Tierpark Hellabrunn hat nämlich Wildschwein-Nachwuchs bekommen, der als Elternteil für das Münchner Borstelchen dienen soll.

Astrid Becker

Rosi und Zenzi können es nicht fassen. Da kommt ein fast nackter Kerl daher und baggert sie auf unmissverständliche Weise an. Zenzi reagiert anfänglich noch ein wenig neugierig, will den Typen sogar beschnüffeln - doch als der sich, ganz ohne jegliches Schamgefühl, schnurstracks ins Strohbettchen der beiden Damen bewegen will, reicht es auch ihr.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Die beiden Wildschwein-Grazien fauchen mit aller Stimmgewalt, so dass selbst einem spärlich behaarten, grauen Eber nicht verborgen bleiben kann: Bei diesen Damen ist cooles ,,Macho''-Gehabe nicht angesagt, da muss man mit Feingefühl ran.

Macho, so heißt der Kerl tatsächlich, ist ein ,,cerdo iberico'', gehört also einer alten spanischen Hausschweinrasse an. Sein Besitzer, der österreichische Rechtsanwalt und ,,cerdo iberico''-Züchter Bernhard Wagner, hat ihn aus einem besonderen Grund von St. Pölten in den Tierpark Hellabrunn gebracht:

Mit den beiden Wildschwein-Bachen Rosi und Zenzi aus dem Wildpark Poing soll er für die nächste Elterngeneration des Münchner Borstelchens sorgen - dem Geschenk des Münchner Zoos zum 850. Geburtstag seiner Stadt im nächsten Jahr.

Eine erste Elterngeneration hat Zoodirektor Henning Wiesner bereits im vergangenen Jahr, wie berichtet, mit dem Poinger Wildschweinkeiler Kasimir und den beiden Duroc-Säuen Schnüffelchen und Rüsselchen gezüchtet. Sie wächst derzeit im Institut für Tierzucht der Ludwig-Maximilians-Universität in Oberschleißheim auf - und soll später mit den Ferkeln von Rosi, Zenzi und Macho gekreuzt werden. ,

,Damit das Borstelchen so aussieht, wie die Schweine zur Stadtgründungszeit'', sagt Wiesner. Das heißt also: Es soll einen langen, leicht behaarten Körper, lange Beine, eine dunkle Pigmentierung, eine einem Wildschwein ähnliche Kopfform und eine breite Schnauze haben. ,,In etwa so wie auf Albrecht Dürers Kupferstich ,,Der verlorene Sohn''.''

Was sich so anhört, als nehme es der Zoodirektor mit zeitlichen Einordnungen nicht so genau - Dürers Stich ist um einiges jünger als München, er stammt aus dem Jahr 1498 - hat seine Berechtigung: Bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert hatte sich das Aussehen der bis dahin dunklen Hausschweine kaum verändert.

Doch der gestiegene Lebensstandard ermöglichte auch den ärmeren Schichten, Schweinefleisch zu essen - was zur Entstehung neuer Rassen führte, die alten jedoch verdrängte.

Doch zunächst wollen die dreijährige Rosi und die zweijährige Zenzi so gar nichts von ,,Macho'' wissen. Der reagiert, wie ein Eber in diesen Fällen reagieren muss: Er frisst erst einmal, und zwar das Frühstück seiner beiden Angebeteten: Gelbe Rüben, Erdnüsse, Apfel, Banane und Papaya - eben alles, was die Papageien übrig gelassen haben und was dann für die Schweine vorgesehen ist. Rosi und Zenzi lassen sich von dem Mundraub nicht provozieren.

Ganz still liegen sie auf ihrem Lager, verstecken ihre Rüssel im Stroh, lassen ,,Macho'' nicht aus den Augen. Jede seiner Bewegungen wird registriert. Durch die Halme schielen sie auf den, der sich in ihrer neuen Heimat hinter den Kulissen des Münchner Zoos breit zu machen scheint. Was in aller Welt will der hier?

Er will die beiden. Das ist schwerlich zu übersehen. Seine Kiefer klatschen aufeinander, weißer Schaum steht ihm vor dem Maul - ,,patschen'' heißt dieser Versuch des Ebers in der professionellen Schweinezüchter-Sprache, mittels seines pheromonhaltigen Speichelschaums die holde Weiblichkeit für sich zu gewinnen.

Doch alle verführerischen Duftstoffe sind vergebens. Rosi und Zenzi geben sich unbeeindruckt. Also bleibt dem Eber nichts anderes übrig, als eine geballte Ladung spanisch-österreichischen Charmes zu versprühen: Also wie ein Torero um den Stier feurig um Rosi und Zenzi herumzutänzeln und dabei die Damen unaufhörlich mit Schmäh zuzugrunzen. Drei Wochen lang geht das so.

Morgens, mittags, abends. Wobei anzumerken ist, dass das Sprichwort: ,,Steter Tropfen höhlt den Stein'' offenbar auch in Schweinekreisen bekannt zu sein scheint.

Es ist nun freilich auch in Hellabrunn nicht üblich, dass Tierpfleger über den Vollzug des Geschlechtsaktes Protokoll führen. Sie bemerken jedoch das veränderte Verhalten der Tiere. Zunächst grunzen Zenzi und Rosi zurück, gestatten also, dass Macho das Gespräch mit ihnen sucht.

Anfangs etwas wirscher, doch dann immer freundlicher. Sogar gegenseitiges Beschnüffeln ist durchaus genehm. Und dann - ganz plötzlich: Kein Patschen mehr, keine gegenseitigen Annäherungen mehr. Was bei Menschen das ultimative Aus bedeuten würde, ist unter Schweinen jedoch ein untrügliches Zeichen für erfolgreiche Bemühungen.

Machos Taktik ist also aufgegangen - erst bei der vorwitzigen Zenzi, dann bei der etwas ruhigeren Rosi. Beide Damen sind trächtig und lassen ihre drei Monate, drei Wochen und drei Tage wachsenden Bäuche dann auch regelmäßig von Pflegern und Zoodirektor Wiesner begutachten.

Und eines Morgens, vor etwa vier Wochen, finden die Pfleger das, worauf sie von Anfang an gehofft haben: 14 schwarz-rotbraun gestreifte Ferkel, sieben bei Zenzi, sieben bei Rosi. Etwa in einem Jahr dürfen sie sich als zweiter Elternteil für das Münchner Borstelchen versuchen. Davor jedoch sollen sie aber erst einmal den Zoobesuchern gezeigt werden. Ihr neues Gehege wird derzeit noch eingerichtet.

© SZ vom 20.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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