Von Südkorea an die Isar:Eine Reise in die Freiheit

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Chong-Sook Kang ging in den Siebzigern für Frieden und Frauenrechte auf die Straße, heute demonstriert sie für ein buntes München. (Foto: Stephan Rumpf)

Chong-Sook Kang setzte sich als Ausländerbeauftragte für Integration ein

Als sie mit 23 Jahren nach Deutschland kam, habe sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben frei gefühlt, sagt Chong-Sook Kang. Sie stammt aus Südkorea, und dort habe es für Frauen Anfang der Siebzigerjahre eigentlich nur einen Lebensweg gegeben: heiraten und Kinder bekommen. Kang studierte Literaturwissenschaft, aber in ihrer Heimat durfte sie viele Bücher nicht lesen. Alles, was um Sozialismus ging, sei verboten gewesen, sagt Kang, 71 Jahre alt. "Wir haben uns überhaupt nicht getraut, kritisch zu sein." In München hingegen sei alles anders gewesen - frei und aufregend. Kang studierte hier Soziologie und Politikwissenschaft, nahm an Sit-ins und Demonstrationen für Frauenrechte, Frieden und Umweltschutz teil. Zu dieser Zeit lebte sie in einem Studentenwohnheim, zusammen mit Menschen aus Iran, Afrika und Europa. "Das alles hat mir die Augen geöffnet, wie bunt die Welt ist."

Während der Neunzigerjahre arbeitete Kang als Ausländerbeauftragte der Stadt München, eine Stelle, die es in der Form heute nicht mehr gibt. Sie kümmerte sich darum, in den verschiedenen Referaten Themen, die Ausländer und Flüchtlinge betrafen, zu koordinieren, und vertrat ihre Anliegen im Stadtrat. Zum Beispiel initiierte sie das K.I.D.S.-Projekt, das die Kreativität von Schülern fördern sollte und das bis heute besteht. Künstler und Professoren machten mit Kindern Workshops. Das Projekt richtete sich zwar an Schüler mit und ohne Migrationshintergrund, doch besonders die mit ausländischen Wurzeln hätten gerne mitgemacht, sagt Kang. "Sie hatten ja oft nicht so viele Möglichkeiten in ihrer Freizeit." Kang richtete außerdem einen Dolmetscherpool ein, versuchte die Polizei für das Thema Rassismus zu sensibilisieren und die Wohnungsbaugesellschaft darauf aufmerksam zu machen, Menschen mit ausländisch klingenden Namen nicht zu diskriminieren. "Natürlich kann diese Arbeit frustrierend sein, weil es eben sehr lange dauert, bis sich in einer Gesellschaft etwas ändert", sagt Kang. "Aber was bringt es, wenn man resigniert?" Die 71-Jährige glaubt, München sei es größtenteils gelungen, Frieden zwischen Migranten und Alteingesessenen herzustellen. "Ich fühle mich in München sicher." Doch vielen ihrer Landsleuten gehe das nicht immer so. Sie würden spüren, dass sich die Atmosphäre verändert habe. Um ein Zeichen zu setzen, geht Kang regelmäßig demonstrieren - gegen Pegida, AfD, aber auch gegen die hohen Mieten.

© SZ vom 20.09.2018 / chrh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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