Von einer Last befreit:Die Nachbarn atmen auf

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Im Schatten des Heizkraftwerks stehen an der Ringstraße in Unterföhring schmucke Einzelhäuser als Nachbarn. (Foto: Florian Peljak)

In Unterföhring feiert man das Ergebnis und hofft darauf, dass es im Münchner Rathaus auch ernst genommen wird

Von Anna Reuß, Unterföhring

In der Gemeinde Unterföhring gab es wegen des Kraftwerks schon lange dicke Luft. Denn die Menschen dort leben in direkter Nachbarschaft zu den Schornsteinen des sogenannten Blocks 2, wo die Steinkohle im Heizkraftwerk verbrannt wird. Dass sie selbst nicht abstimmen durften, stattdessen aber weniger betroffene Münchner etwa aus Untergiesing oder Hadern, das hat hier bei manchen Unmut und Verdrossenheit erregt. Die Unterföhringer hatten daher die Münchner aufgerufen, in ihrem Sinne für ein vorzeitiges Ende der Kohleverfeuerung zu stimmen.

Im Ort haben längst einige Bürger ein Aktionsbündnis für den Ausstieg aus der Steinkohle gegründet. Einer von ihnen ist Wolfgang Stubenrauch. "Wir freuen uns mächtig", sagt er, als am Sonntag gegen 19.15 Uhr in München die entscheidende Marke von 110 000-Ja-Stimmen geknackt wird. "Wir Unterföhringer durften ja nicht mitwählen, wie viele andere im Landkreis auch nicht", sagt er, "aber es hat gewirkt, dass wir Druck auf die Münchner ausgeübt haben." Er sei gespannt, wie genau die Münchner nun den Ausstieg umsetzen würden; er hoffe allerdings, dass die politische Spitze der Stadt das Ergebnis ernst nehme und daran nicht mehr "herumbohren und herumdoktern" werde. "Der Wille der Bürger ist heilig", sagt Stubenrauch. Wenn der Ausstieg nun etwas länger dauere, sei das eben auch in Ordnung. Hauptsache, Block 2 werde abgeschaltet.

Über das Ergebnis freut sich der Sprecher des Bündnisses auch deshalb, weil es rechtzeitig zur Weltklimakonferenz in Bonn das richtige Signal sende: "Eine erfreuliche Botschaft aus München" sei das, sagt Stubenrauch. Er hat am Abend seine Tochter und seinen Schwiegersohn aus München zu Besuch, um mit einem Glas Wein auf den Erfolg anzustoßen.

Auch Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) ist froh, dass die Münchner so entschieden haben, und er spricht ihnen seinen Dank aus. "Ich hoffe allerdings, dass der Stadtrat und der OB sich auch daran halten und es nicht ein Jahr liegen lassen, um dann zu sagen, dass das Ergebnis nicht mehr bindend sei", sagt Kemmelmeyer. Gleichzeitig sichert er "volle Unterstützung" aus Unterföhring zu, was den möglichen Bau eines Ersatz-Gaskraftwerks am selben Standort betrifft. "Dass längst realisierbare Pläne in der Schublade liegen, hat ja auch einen Grund." Zur Kritik an den Ausstiegsforderungen sagt Kemmelmeyer: "Die Argumente der Verantwortlichen im Vorfeld, die selbst nicht betroffen sind, habe ich nicht verstanden." Zugleich appelliert der Bürgermeister an den Bund, die Kohlekraft nicht mehr zu subventionieren. Wäre eine saubere Energiegewinnung rentabler, käme das auch den Münchner Stadtwerken zugute. Er habe nun große Hoffnungen, was den Klimaschutz in Deutschland angeht, sagt Kemmelmeyer: "Da muss ein Umdenken stattfinden." München habe mit dem Bürgerentscheid jedenfalls ein Zeichen gesetzt.

Die Anwohner, wenn auch diejenigen innerhalb der Stadtgrenzen, vertritt auch Angelika Pilz-Strasser, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Bogenhausen, der auch dafür plädiert hat, Block 2 abzuschalten. Aus ihrer Sicht sei es "absolut notwendig, aus der Kohleenergie auszusteigen", daher freue sie sich sehr über das Ergebnis. In Bogenhausen sei die Stimmung hinsichtlich des Kraftwerks im nahe gelegenen Unterföhring zwar "nicht explosiv", dennoch habe sie vor der Bundestagswahl wahrgenommen, dass das Thema viele Bürger bewege. "Manchmal muss man Visionen und Mut haben, die wichtigen Dinge voranzutreiben", sagt Pilz-Strasser. "Es mag ja sein, dass es dreckigere Kraftwerke gibt, aber man kann nur dort etwas bewegen, wo man abstimmen darf."

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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