Virtueller Pranger:Schmutzige Küchen bleiben Geheimsache

Lesezeit: 2 min

Berlin hat Kneipen mit Hygienemängeln im Internet publik gemacht - den Münchner Wirten aber droht kein virtueller Pranger.

Varinia Bernau

Wer heutzutage wissen will, was er von einem Hotel oder einem Lokal zu halten hat, der schaut im Internet nach, was zufriedene oder gequälte Gäste in einschlägigen Foren so schreiben. Auch der Wirt Wassili Galanopulos tippt deshalb immer mal wieder den Namen seiner Kneipe "Alter Simpl" in eine Suchmaschine ein und liest nach. Neulich stand da zum Beispiel die Kritik, dass das Bier in der Schwabinger Traditionskneipe angeblich zu teuer sei. Dabei, sagt Inhaber Galanopulos, habe er die Bierpreise schon seit fünf Jahren nicht mehr erhöht.

Die sauberen Lokale dürfen sich in Berlin-Pankow mit einem Smiley schmücken, die schmutzigen erscheinen auf einer Negativliste im Internet. (Foto: Foto: dpa)

Ob das Internet der geeignete Ort für Restaurantkritik ist - daran haben viele Münchner Gastwirte Zweifel. Regelrecht empörend finden sie die Idee, dass der Berliner Vorstoß, in Gaststätten aufgedeckte Hygienemängel auf der städtischen Webseite publik zu machen, auch im Münchner Rathaus Nachahmer finden könnte. "Solche Schwarze-Schafe-Listen wären vollkommen überzogen", sagt Birgit Netzle-Piechotka, stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands in München.

Eine solche Praxis grenze an Verleumdung. Der Gast könne die Hintergründe der von der Lebensmittelaufsicht beanstandeten Mängel nicht immer einschätzen - vor allem bei Kleinigkeiten wie einer nicht rechtzeitig gewechselten Lüftungsanlage oder nicht aufgefüllter Seifenspender auf den Personaltoiletten. "Den Namen der Gaststätte sehen die Leute auf den ersten Klick, aber niemand klickt dann weiter, um sich auch noch den Grund für die Beanstandung anzuschauen."

Doch dass München dem Beispiel des Berliner Bezirks Pankow folgt, wäre derzeit ohnehin nicht möglich. "Wir haben in Bayern eine andere Rechtsgrundlage. Wir dürfen die Daten von beanstandeten Firmen nicht öffentlich machen", stellt Christopher Habl vom Kreisverwaltungsreferat klar. Grund zu Beanstandungen haben die etwa 30 städtischen Mitarbeiter bei ihren Kontrollen in Kneipen, Küchen und Kühltruhen allerdings durchaus.

Vom nicht gewischten Boden bis zum Fleisch jenseits des Verfallsdatums in der Tiefkühltruhe reichten die Mängel, sagt Habl, ohne genaue Zahlen über die registrierten Missstände zu nennen. Ein bis zwei Mal im Jahr werde jede der etwa 8000 Gaststätten in München kontrolliert. Wo es Kritikpunkte gibt, dort schauen die Kontrolleure häufiger hin. Unangekündigt und zu jeder Tageszeit.

Während es für den unsauberen Boden etwa nur eine Verwarnung gebe, sei für das verdorbene Fleisch ein Bußgeld von 4000 bis 10000 Euro fällig. "Auch zur Schließung selbst größerer Betriebe kommt es immer mal wieder", betont Habl. Doch das seien Einzelfälle.

Auch wenn die Münchner Behörde keinen Gastwirt an den digitalen Pranger stellen wird, haben sich manche Gastronomen bereits auf die im Internet geäußerte Kritik eingestellt: So gibt es auf der Webseite des Ratskellers ein Gästebuch, in dem jeder Eintrag der Gäste von den Gastronomen kommentiert wird.

Nicht immer, gibt Ratskeller-Wirt Peter Wieser zu, könne er die dort geäußerte Kritik nachvollziehen, aber: "Wenn man uns nicht sagt, wo es hakt, können wir schließlich auch nichts verbessern." Konstruktive Kritik, heißt es auch beim Gaststättenverband, sei durchaus erwünscht. Und Wassili Galanopulos, Wirt des "Alten Simpel", hat die Erfahrung gemacht, dass ihm immer mal wieder einer seiner Gäste auf die Schulter klopft und Lob ausspricht - genau für die gleichen Dinge, die im Internet kritisiert wurden.

© SZ vom 03.03.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: