Verwaltungsgerichtshof:Grapscher zurück im Dienst

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Handgreiflichkeiten und freche E-Mails: Kaum eine Mitarbeiterin im Finanzamt war vor dem Kollegen sicher - bis er vom Dienst supendiert wurde. Jetzt hat das Gericht den Rauswurf aufgehoben.

Ekkehard Müller-Jentsch

Mit Handgreiflichkeiten und derben E-Mails hatte ein heute 49-jähriger Amtsrat jahrelang seine Kolleginnen im Finanzamt an der Deroystraße belästigt. Zwischen Aktenordnern und Steuerbescheiden war kaum eine junge Beamtin vor seinen tatschenden Händen und schlüpfrigen E-Mails sicher. Als sich die Frauen endlich trauten, ihrem Unmut Luft zu machen, setzte ihn der Staat mit einem Disziplinarurteil des Verwaltungsgerichts vor die Tür. Trotzdem darf der Finanzbeamte nun bald wieder in seiner Dienststelle antreten: Der Verwaltungsgerichtshof gab ihm am Mittwochnachmittag eine zweite Chance.

Der unverheiratete Amtsrat hatte sich den jungen Kolleginnen, alle zwischen Anfang und Mitte 20, im Aktenkeller, im engen Treppenhaus, im Lift oder in Amtsfluren auf eine Weise genähert, die aus Sicht der Behördenleitung alle akzeptablen Grenzen überschritt. Das Verwaltungsgericht verhängte deshalb im Januar 2010 die "Höchstmaßnahme": Entfernung aus dem Dienst. In der Verhandlung damals hatte der anscheinend unverbesserliche Don Juan noch ziemlich hochnäsig alles zu verharmlosen versucht.

Kleinlaut und demonstrativ bescheiden trat der groß gewachsene Mann nun dagegen mit seinem Rechtsanwalt Michael Zimpel vor dem VGH-Senat an der Ludwigstraße auf. Er habe erst erkannt, was er den jungen Kolleginnen angetan hatte, als diese in der ersten Instanz bei Gericht aussagen mussten, erklärte er. Ihm tue das heute alles schrecklich leid. Bei allen Damen habe er sich schriftlich entschuldigt und jeder 1000 Euro "Kompensationszahlung" angeboten - genommen habe aber keine das Geld.

Der einstige Schürzenjäger berichtete dem Gericht, dass er sich seither und auch weiterhin therapieren lasse und ihm die Ärzte gute Aussichten bescheinigten. Auch wenn seine Einsicht reichlich spät komme, ließ sich das Gericht schließlich erweichen. Da er nicht Vorgesetzter der jungen Beamtinnen gewesen sei und inzwischen Reue zeige, könne man von einem Rauswurf absehen. Trotz des schweren Dienstvergehens beließen es die Richter bei einer Degradierung um zwei Stufen zum Steueroberinspektor.

Ob sich die jungen Kolleginnen auf die Rückkehr des Mannes freuen, den sie trotz allem übereinstimmend als "nett, freundlich, jovial und entgegenkommend" geschildert hatten? Immerhin hatte ihm eine nach dem ersten Prozess eine Mail geschickt: "Schade, dass Du nicht mehr da bist - es war so nett."

© SZ vom 15.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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