Verhandlung:Nach Mord zwei Jahre versiegelt

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Vermieterin klagt gegen Freistaat, weil ihre Wohnung gesperrt war

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Eine Wohnung, in der ein Mord geschah, wird routinemäßig von der Polizei versiegelt. Dass solch ein Siegel aber auch zwei Jahre lang an der Wohnungstür kleben kann, musste eine Münchner Hauseigentümerin erfahren. In einem Mietshaus in der Zielstattstraße, das ihr gehört, hatte in der Silvesternacht 2011/12 einer ihrer Mieter seinen Untermieter ermordet. Da die Tatwaffe, vermutlich ein Kochtopf, nicht gefunden wurde, gab die Staatsanwaltschaft die Zweizimmerwohnung bis zum Abschluss des Mordprozesses nicht frei, weil sie ein wichtiges Beweismittel sei. Da die Eigentümerin in diesen Jahren die Wohnung nicht neu vermieten konnte, verklagt sie am Landgericht München I den Freistaat auf Schadensersatz.

Beiden Seiten geht es vermutlich weniger um Geld, als ums Prinzip. Gestritten wird lediglich um knapp 10 000 Euro. Die temperamentvolle Mittachtzigerin ärgert sich nicht zuletzt darüber, dass weder Polizei noch Staatsanwaltschaft es für nötig gehalten hatten, sie überhaupt über die Bluttat zu informieren. Und man habe sie auch später nicht auf dem Laufenden gehalten, wie es mit der beschlagnahmten Wohnung weitergehen würde. Georg Hopfensperger, Immobilien-Fachanwalt, hält das Vorgehen der Behörden in diesem Fall für unverhältnismäßig.

Der Anwalt des beklagten Freistaats argumentiert, dass der Untermieter offenbar Sex mit der Ehefrau seines späteren Mörders hatte. Wäre die Wohnung besser verwaltet worden, hätte die Eigentümerin von dem illegalen Untermietverhältnis gewusst und es unterbinden können. Zwei Männer und eine Frau auf 50 Quadratmetern sieht der Anwalt des Staats durchaus als "erhöhtes Risiko" an, das sich nun zum Mord "ausgeweitet" habe. Der Tatort als Beweismittel sei wichtig für einen ordentlichen Prozess gewesen, auf den der Tatverdächtige ein Recht gehabt habe. "War der Zeitraum für die Ermittlungen zu lang?", stellte der Staats-Anwalt als Frage in den Raum - "wir sehen das nicht so".

Als problematisch sieht er jedoch den Umstand an, dass sich die Vermieterin mit der Ehefrau des späteren Verurteilten in einem Räumungsprozess auf einen Vergleich eingelassen habe. Nur deshalb könne sie sich nun nicht mit ihrer Schadensersatzforderung an die frühere Mieterin wenden. Dass diese mittellos sei, ließ der Jurist nicht gelten: Schließlich können man solch einen Titel 30 Jahre lang vollstrecken. Die 15. Zivilkammer hält aber mehr als sechs Monate für ein entschädigungsloses "Sonderopfer" für zu lang und schlägt vor, der Freistaat solle freiwillig 8000 Euro bezahlen. Die klagende Eigentümerin würde den Vergleich annehmen, der Freistaat hat Bedenkzeit.

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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