Vergleich:Alles eine Frage der Relation

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Die Frage ist letztlich auch, was die Vergleichszahlen zwischen der Kohlendioxid-Emission des Heizkraftwerks und des Kraftverkehrs in München überhaupt aussagen

Von Thomas Anlauf

Der Mensch atmet es aus, Pflanzen atmen es ein und wandeln es unter anderem in Sauerstoff um: Kohlendioxid ist schon eine geniale Erfindung der Natur. Doch es kommt wie so oft auf die Dosierung an. Wird CO₂ in zu großen Mengen ausgeatmet, wird es zum Problem. Das farblose Kohlendioxid ist bekanntermaßen das stärkste Treibhausgas in der Atmosphäre, die Reduzierung der CO₂-Emissionen deshalb eine der größten globalen Herausforderungen. Auch das Heizkraftwerk (HKW) München Nord Block 2 bläst ziemlich viel Kohlendioxid über den 130 Meter hohen Kamin in die Luft. 800 000 Tonnen Steinkohle jährlich verwandeln sich nicht nur in Energie, sondern auch in Kohlendioxid. In der Anlage werden mit dem Verfeuern der Steinkohle etwa 1,7 Millionen Tonnen CO₂ jedes Jahr in die Atmosphäre gebracht. Aber ist das viel?

Das ist natürlich relativ. Das Öko-Institut etwa rät der Stadt München, ihre Anstrengungen zur CO₂-Reduzierung so zu forcieren, dass im Jahr 2030 umgerechnet jeder Münchner noch drei Tonnen des Gases produziert, im Jahr 2013 waren es noch 11,8 Tonnen pro Kopf. Die Initiatoren des Bürgerentscheids "Raus aus der Steinkohle" wiederum sagen, das Kraftwerk produziert derzeit immerhin 17 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen Münchens und sogar mehr, als alle Pkw und Lkw in der Stadt in die Luft blasen.

Wie viel Kohlendioxid Kraftfahrzeuge produzieren, ist allerdings eine relativ knifflige Rechnung. Denn während bekannt ist, wie viel Steinkohle jedes Jahr im Kraftwerk verfeuert wird, weiß kein Mensch ganz genau, wie viel welches Auto durch München gefahren ist. Nun gibt es aber verschiedene Grundlagen für eine Bewertung. Laut dem Klimaschutzbericht von 2012 stößt der Gesamtverkehr Münchens, inklusive Flugverkehr, 21 Prozent des gesamten CO₂ aus, ohne Flugverkehr sind das nach Angaben von Ludwig Kuchinke, Mobilitätsexperte bei der Umweltorganisation Green City, ein Anteil von knapp 14,5 Prozent. Demnach würde die These der Kraftwerksgegner stimmen, dass das HKW mit 17 Prozent etwas mehr CO₂ ausstößt.

Es gibt auch Möglichkeiten, den CO₂-Ausstoß des Kraftverkehrs direkt abzuleiten. Demnach nimmt man die zugelassenen Autos und Motorräder und kann sie nach Kfz-Typen differenziert nach Antriebsart, Baujahr und Leistung unterscheiden und ihnen einen durchschnittlichen CO₂-Ausstoß zurechnen. Dazu wird der Anteil an Pkw und Lkw im Stadtverkehr hochgerechnet.

Die Frage ist letztlich aber auch, was die Vergleichszahlen zwischen der Kohlendioxid-Emission des Heizkraftwerks und des Kraftverkehrs in München überhaupt aussagen. Das Kraftwerk in Unterföhring produziert Strom und Fernwärme, in den mehr als 700 000 in München zugelassenen Autos wiederum versuchen Menschen, von einem Ort zum anderen zu gelangen.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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