Verbrennungen durch Elektroskalpelle:Während Operation schwer verletzt

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Missstände in den Kliniken: Standart bei Operationen ist das Skalpell (Foto: dpa)

Ein Patient wird bei einer Operation am Knie schwer verbrannt - durch ein Elektroskalpell, das der Chirurg verwendet. Nun fordert die Krankenkasse von der Klinik 10.000 Euro für die Nachbehandlungskosten. Die Verbrennungen des Mannes sind kein Einzelfall.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein Patient wird operiert und erwacht mit Hautverbrennungen aus der Narkose. Damit rechnet natürlich niemand, der in ein Krankenhaus geht. Und solche Verletzungen müssten nach Meinung des Arztes und Klinikgeschäftsführers Wolfgang Decker auch nicht passieren. Der Urenkel des Gründers der gleichnamigen Schwabinger Klinik spricht sogar von einer "zum Teil an Zynismus grenzenden Ignoranz", mit der solch schwere Verletzungen nicht verhindert werden.

Einen typischen Fall vertritt die Rechtsanwältin Monika Günther-Aschenbrenner derzeit für die AOK. Die Krankenkasse verlangt von einer Landkreisklinik rund 10.000 Euro für Nachbehandlungskosten, die bei einem ihrer Versicherten durch eine Stromverbrennung verursacht wurden. Der Mann war am Knie operiert worden, und die Chirurgen hatten dabei einen sogenannten Elektrokauter benutzt.

Mit diesem Gerät leiteten sie hochfrequenten Wechselstrom in den Körper des Patienten, um durch einen thermischen Effekt Gewebe zu schneiden oder Blut zu stillen - also eine Art Elektroskalpell. Viel zu spät, erst beim Öffnen der hermetisch abdichtenden Blutsperre rund um das Knie, bemerkten die Ärzte, dass Hautteile schwer verbrannt worden waren - eine sofortige Notoperation war nötig. Der Anwalt der beklagten Klinik hält das für schicksalhaft: Unter der Manschette habe sich wohl Schweiß gebildet, der natürlich besonders gut leitet und damit an dieser Stelle zu hoher Energiedichte führt - das könne man bei aller Sorgfalt nicht sicher vermeiden, über dieses Risiko sei der Patient aufgeklärt worden.

Decker hält dagegen: "Die marktführenden Gerätehersteller für Hochfrequenzchirurgie verfügen über Kontrollsysteme, die eine Verbrennung an der Neutralelektrode verhindern können." Ihr Einsatz sei allerdings bisher nicht vorgeschrieben. "Dies halte ich für skandalös!" Die sicheren Kontrollsysteme seien sogar oft schon eingebaut, sagt der promovierte Internist, aber nicht aktiviert: "So, als wäre in neuen Autos das Antiblockiersystem ab Werk ausgeschaltet." Benötigt würden nur noch preiswerte zweiflächige Neutralelektroden, erklärt Decker weiter. Vergleichbar sei dieses System mit Fehlerstromschutzeinrichtungen, wie man sie als "FI-Schalter" in jedem Haushalt finde.

Bisher haben viele Arzt-Haftpflichtversicherungen solche OP-Brandverletzungen in aller Stille als Behandlungsfehler anerkannt und Schmerzensgeld sowie Schadensersatz bezahlt. Doch nun gehen einige Assekuranzen dazu über, Verbrennungen durch Thermokauter als ein typisches OP-Risiko einstufen zu wollen, über welches der Arzt den Patienten nur vorher aufklären müsse. Sei dies schriftlich erfolgt, wollen sie nicht mehr zahlen. Decker ist darüber empört.

Die Münchner Medizinrechtsprofessorin Ute Walter sieht die Rechtslage sogar umgekehrt: Angesichts der Existenz dieser Kontrollsysteme müssten Patienten besonders darüber aufgeklärt werden, wenn Geräte mit diesen Schutzmechanismen nicht eingesetzt werden, meint sie. Geschehe das nicht, könne die Aufklärung gar unwirksam sein. Eine Rechtsprechung dazu gibt es allerdings bisher nicht. Decker fordert, das System "dieses Zynismus zu berauben und Sicherheit in OP-Sälen endlich wieder an die Spitze zu stellen".

© SZ vom 27.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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