Urteil für Abgeordneten:Vom Mut und von der Fahrlässigkeit

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"Bewährungsstrafe für Abgeordneten Pohl" und "Nach 18 Minuten ist ,alles gut'", beides vom 18. Dezember:

Ein Abgeordneter des Bayerischen Landtags, der, sagen wir es auf gut bayrisch, "stockbesoffen" mit seinem Auto unterwegs war, und der darüber hinaus vor einigen Jahren einen Menschen totgefahren hat, fahrlässig, und der dazu noch weitere Nettigkeiten im Straßenverkehr begangen hat - Nötigung, und so weiter - wird zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung von sechs Monaten verurteilt. Ob wohl der ganz normale Michel oder das Lieschen - ohne Bonus - auch so vornehm weggekommen wären? Es darf zumindest bezweifelt werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und da er ja, zumindest für die nächsten zwei Jahre, sein Auto in der Garage lassen muss . . . oder sollte, wird er Stadelheim nie von innen sehen.

Bevor wir den moralischen Zeigefinger heben: Jeder von uns kann in einen schweren Unfall verwickelt werden; eine Fehleinschätzung, ein winziger Moment der Unachtsamkeit . . .

Aber im Fall dieses Herrn Abgeordneten handelt es sich um einen notorischen Wiederholungstäter. Und dem Menschen, der durch einen derartigen Fahrer beziehungsweise dessen Auto zu Tode kommt, wird es in den letzten Sekunden seines Lebens sicher kein Trost sein, dass es sich ja "nur" um eine Fahrlässigkeit handelt. Jeder stirbt für sich alleine. Jeden Tag sterben alleine in Deutschland zehn Menschen im Straßenverkehr. Teils durch eigene Schuld, in der Mehrzahl durch die Schuld Anderer.

Einige Seiten weiter ist der Sprengmeister abgebildet, der die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft hat. Diese Arbeit war immerhin so gefährlich, dass man annähernd ein ganzes Stadtviertel evakuiert hat - außer dem Herrn Tietjen und seinem ungenannten Helfer! Unsere ganze Hochachtung sollte diesen Menschen gelten, die diese extrem gefährliche Arbeit für uns alle ja nicht zu ersten Mal geleistet haben. Und unsere Achtung gilt auch all den Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern und Ärzten, die sich Tag für Tag unter anderem um die Verkehrsopfer bemühen. Wenn man ihre Leistung für die Bürger unseres Landes und ihr Einkommen ins Verhältnis zur "Leistung" des Herrn Abgeordneten stellt ; und wenn man dann noch liest, dass es der Herr Aiwanger freudig begrüßen würde, wenn der Herr Rechtsanwalt weiterhin für "unser Bayernland" tätig sein könnte . . .? Anneliese und Reinhold Berger, Hechenwang

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© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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