Urbanes Gebiet:Ein bisschen lauter, aber billiger

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Vorne Gewerbe, hinten Wohnungen - so wie auf diesem Areal in Mittersendling - könnte München künftig noch intensiver durchmischt werden. (Foto: Catherina Hess)

Stadt und Umland versprechen sich viel von der Reform des Baugesetzes

Von Alfred Dürr

Das Planen und Bauen in München, aber auch in der Region, wird sich aller Voraussicht nach deutlich verändern. Mehr Wohnungen in bisherigen Tabuzonen wie etwa lärmintensiven Gewerbegebieten, höhere neue Häuser, die dichter als bislang üblich beieinander stehen, eine intensivere Mischung von Kultureinrichtungen, Gastronomie und Wohnnutzung - das alles sieht die Reform des Baugesetzes vor. Unter dem Stichwort "Urbanes Gebiet" soll ein neuer Quartierstypus eingeführt werden. Die Bundesregierung hat Ende November die entsprechenden Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht.

Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk begrüßt diese neuen Möglichkeiten. Künftig wird es beispielsweise leichter sein, alte Gewerbe-Immobilien in Wohnhäuser umzuwandeln. Oder man schafft in Neubauvierteln eine Atmosphäre wie in der dicht bebauten Innenstadt: Geschäfte, Kneipen, Veranstaltungsräume, Betriebe und Wohnungen sollen für städtisches Flair sorgen. Wenn man danach fragt, wo genau solche urbanen Viertel vorgesehen sind, erfährt man aber aus dem Planungsreferat nicht viel. "Soweit sind wir noch nicht", sagt Sprecher Ingo Trömer. Vor allem Gebiete, in denen heute noch viel Gewerbe anzutreffen ist, könnten vielleicht schon bald einen Aufschwung als Wohnviertel nehmen, nach dem Motto: Statt öder Schlafsiedlung urbanes Leben.

Aber es geht in München und in den Umlandgemeinden vor allem auch darum, angesichts des enormen Preisdrucks bei den Immobilien mehr Wohnraum zu schaffen. "Für die Region hat das Instrument des urbanen Gebiets große Bedeutung", sagt Christian Breu, der Geschäftsführer des Regionalen Planungsverbands München: "In den Bereichen Wohnen und Gewerbe brauchen wir eine Funktionsmischung und keine Funktionstrennung. " Auch er verweist darauf, dass das Gesetz zum "Urbanen Gebiet" noch nicht in Kraft sei und man damit keine Aussagen zu möglichen Projekten in der Region treffen könne. Breu: "Der Planungsverband wird sich intensiv mit dem Thema befassen." In der ersten Jahreshälfte 2017 soll eine Veranstaltung dazu mit den Mitgliedern stattfinden.

Die SPD im Münchner Rathaus sieht Chancen für das Bauen in der Stadt. Grundstücke seien ein rares Gut, zunehmend konkurrierten Wohnen und Gewerbe um die Flächen. Für die planungspolitische Sprecherin der Fraktion, Heide Rieke, bietet die neue Kategorie "Urbanes Gebiet" mehr Platz für das Wohnen, Arbeiten und Leben. Grün- und Erholungsflächen blieben dabei erhalten. Bei der CSU äußert man auch Bedenken. Nachverdichtung müsse mit Augenmaß geschehen, sagt Stadtrat Johann Sauerer. Außerdem trete die CSU mit Nachdruck für den Erhalt von Gewerbeflächen ein.

Gerade mittelständische Unternehmen seien auf die Gebiete angewiesen: "Der Bedarf ist ungebrochen." Um verstärkt Wohnungen für Normalverdiener zu schaffen, hat die Stadt schon früher planungsrechtliche Voraussetzungen geschaffen, um rein für Gewerbe vorgesehene Areale in Wohngebiete umzuwandeln. Man lebt dann dort zwar nicht in einer Top-Lage, dafür sollen die Mieten erschwinglich sein. Das Umfeld ist gar nicht so schlecht, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Das "Urbane Gebiet" würde solche Umwandlungen viel einfacher und schneller ermöglichen. Ein Beispiel ist das Industrieareal nördlich der Moosacher Straße und des Olympiaparks. Der Knorr-Bremse-Konzern errichtet dort einen Business-Park mit den verschiedensten Nutzungen. Man entschied sich, auch einen Block mit 400 Wohnungen zu bauen. Ansprechende Architektur, gute Verkehrsinfrastruktur und Grünflächen in der Nähe - hier lässt es sich durchaus attraktiv wohnen. Ähnliches gilt für das Areal Kistlerhof-straße und Hofmannstraße in Obersendling. Auch dort nahm man Abschied von Büros und Gewerbe und schuf Platz für 170 Wohnungen. Für Architekten sind solche Umwandlungen eine Herausforderung. Denn für Wohngebiete gelten andere Anforderungen, zum Beispiel beim Schallschutz, als für Gewerbebereiche. Also müssen die Gebäude so angeordnet werden, dass sie möglichst viele Beeinträchtigungen aus der Nachbarschaft fernhalten. Im "Urbanen Gebiet" dürfte es dann ein bisschen lauter zugehen.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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