Unterstützungsangebot:Befristete Hilfe

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Die Anlauf- und Beratungsstelle schließt zum Jahresende

Von Linus Freymark, München

Seit Anfang 2012 finden ehemalige Heimkinder Hilfe: Seitdem gibt es eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle (ABS) in der Münchner Richelstraße. Sie ist zuständig für die Umsetzung des von der Bundesregierung beschlossenen Fonds Heimerziehung West und die Beratung und Betreuung der Betroffenen im Freistaat. Die Stelle verteilt die Entschädigungsleistungen für das in den Heimen erlittene Leid, kümmert sich bei Bedarf um Psychotherapien und unterstützt bei Behördengängen. Zu Beginn ihrer Arbeit bestand die Einrichtung aus vier Beraterinnen und einem Leiter. Angesichts der hohen Nachfrage der Leistungen der Anlauf- und Beratungsstelle wurde die Stelle bis 2015 auf neun Beraterinnen ausgebaut.

Und sie machen einen guten Job, zumindest geben in der Studie des IPP München drei Viertel der ehemaligen Heimkinder an, zufrieden mit der Arbeit der Beratungsstelle zu sein. Vielen Betroffenen hat bereits die Möglichkeit geholfen, einen Ansprechpartner zu haben und die eigene Geschichte erzählen zu können. Die schlechten Erfahrungen, die sie mit Behörden gemacht haben, bedeutet allerdings für viele ehemalige Heimkinder zunächst eine Überwindung, sich an die Einrichtung zu wenden. Der Kontakt wurde dann jedoch positiv wahrgenommen.

Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit legt die ABS auf den psychosozialen Bereich. Ehemalige Heimkinder sollen den Beraterinnen ohne Zeitdruck ihre Geschichte erzählen können. Ist es den in ganz Bayern lebenden Betroffenen nicht möglich, in die ABS nach München zu reisen, kommen die Beraterinnen auch nach Hause. Sie helfen auch bei der Suche nach Heimakten. Für 40 Prozent der Befragten stellen die Dokumente eine wichtige Möglichkeit dar, etwas über die Gründe für ihre Unterbringung im Heim zu erfahren. Viele kennen gar ihre eigene Biografie nur bruchstückhaft. In manchen Fällen verschickten die Jugendämter die Unterlagen von sich aus, in anderen Fällen waren die Akten aufgrund abgelaufener Aufbewahrungsfristen bereits vernichtet. Für die Betroffenen kann die Konfrontation mit ihrer Biografie erleichternd sein, aber auch sehr belastend. Die Anlauf- und Beratungsstelle versucht, hierbei unterstützend tätig zu sein.

Mit der Umsetzung der Entschädigungszahlungen zeigen sich die Betroffenen weniger zufrieden. Zwar honorieren viele die mit den Zahlungen verbundene Anerkennung ihres Leids, jedoch bemängeln sie die nicht ausreichend geschehene Öffentlichkeitsarbeit. Oft haben ehemalige Heimkinder nur durch Zufall von der Möglichkeit einer Entschädigung erfahren. Zudem erhielten nur diejenigen, die sich bis Ende 2015 gemeldet hatten, Rentenersatzleistungenoder eine finanzielle Entschädigung für Anschaffungen wie eine Küche. Pauschale Zahlungen, wie einige ehemalige Heimkinder sie forderten, gab es nicht. Das hat der Bundestag so geregelt, als er den Fonds Heimerziehung verabschiedet hat.

Es geht um große Summen: Bis Ende Juli 2018 hat die Beratungsstelle nach eigenen Angaben rund 35 Millionen Euro aus dem Fonds Heimerziehung West an knapp 3000 ehemalige Heimkinder ausgezahlt. Ende dieses Jahres läuft der Fonds aus, damit endet auch die Arbeit der ABS. Mehr als die Hälfte der vom IPP München befragten ehemaligen Heimkinder befürwortet eine Einrichtung, die sich auch in Zukunft um die Belange der Betroffenen in Bayern kümmert. Bislang ist eine solche Stelle zwar beim zuständigen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales im Gespräch, eine Entscheidung steht jedoch noch immer aus.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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