Unternehmerinnen:Ein Chefsessel als Erbe

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Sie haben alte Familienbetriebe übernommen und finden nun ihren eigenen Weg, mit der Tradition umzugehen. Wie Kathrin Wickenhäuser-Egger und Gabriele Castegnaro die Firmen ihrer Väter und Großväter verändern

Von Anne Kostrzewa und Katja Riedel

Kathrin Wickenhäuser-Egger muss sich jetzt immer seltener ärgern. Darüber, dass bei wichtigen Bankenterminen ihr Gegenüber nicht mit ihr, sondern mit ihrem Vater oder Mann spricht. Oder darüber, dass ein Gastronom über sie beiläufig fallen lässt, sie sei zwar "a liabs Hascherl", "aber kriegt die das hin?" Schließlich sei sie ja "nicht aus dem Metier". 37 Jahre alt ist Kathrin Wickenhäuser-Egger jetzt, und seit sieben Jahren kriegt sie es durchaus hin, der Wickenhäuser-Egger AG vorzustehen. Einem Hotelbetrieb in der Münchner Innenstadt, den sie von ihrem Vater übernommen hat. Den Namen Egger hat sie dazugeheiratet, und sie hat ihren Mann ins Geschäft geholt, als gleichberechtigten Partner - was ihr Vater Franz Wickenhäuser in einem Familienbetrieb nicht ganz selbstverständlich fand. Ebenso wenig selbstverständlich war auch, dass nicht der ältere Sohn, sondern die Tochter das Hotel übernommen hat.

Mit 15, 16 Jahren hat Tochter Kathrin begonnen, sich in die Nachfolge "reinzumogeln", wie sie sagt. Der Fokus habe nämlich eigentlich auf dem älteren Bruder gelegen, erinnert sie sich. Doch der habe wenig Interesse gezeigt - im Gegensatz zur Schwester. Sie jobbte in den Ferien im Hotel, wählte als Studienfach dann aber doch Soziologie. Und Praktika beim Fernsehen oder in einem Meinungsforschungsinstitut. "Ich wollte wissen: Was würde ich machen, wenn es den Betrieb nicht gäbe?" Am Ende jobbte sie in einem Vier-Sterne-Hotel und traf eine Entscheidung: ein Ja zum Erbe. Danach wurde sie Verkaufsleiterin und absolvierte nebenher ein Aufbaustudium für Unternehmensnachfolger.

Wickenhäuser-Egger ist eine jener Münchner Unternehmertöchter, die den elterlichen Betrieb übernehmen wollten. Es gibt prominente Beispiele: Nina Hugendubel, die die Buchhandelskette mit Bruder Maximilian führt. Oder Annette Roeckl, die das Lederhandschuh-Imperium weiterentwickelt. Frauen, die ihr Erbe seit der Übernahme stark verändert haben, mit neuen Kollektionen oder neuen Strategien. Seit 1986, dem Beginn der Statistik bei der Münchner Industrie- und Handelskammer (IHK), ist der Frauenanteil unter den knapp 400 000 Geschäftsführern allerdings nur leicht gestiegen, von 21,7 auf 29,6 Prozent.

Auch Kathrin Wickenhäuser-Egger hat ihr Erbe verändert: Sie hat investiert, ein zweites Hotel und ein Restaurant dazu gekauft, umgebaut. "Wir haben das Haus auf den Kopf gestellt und gespart, wo es ging", sagt sie. "Es war schwer - und trotzdem sind wir mit schwarzen Zahlen rausgegangen." Beim Vater hat ihr das Respekt verschafft, ihr und dem Schwiegersohn. Sie glaubt, anders zu führen als der Vater - und als Männer generell. Diplomatischer, familienorientierter. Wickenhäuser-Egger ist hineingewachsen in die Verantwortung. Seit der Studienzeit hat ihr Vater sie mitgenommen, in Münchner Unternehmerkreise eingeführt, zu staubtrockenen Abendrunden, in denen Frauen selten die Hauptpersonen, eher die Begleitungen waren.

Kathrin Wickenhäuser-Egger hat ihren Hotelbetrieb umgekrempelt und sich so den Respekt ihres Vaters wie auch vieler Münchner Unternehmer erarbeitet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Münchner Unternehmerschaft genießt sie inzwischen einigen Respekt, sie ist Vizepräsidentin der IHK und Aufsichtsrätin bei der Münchner Bank. In der eher konservativen Wirteszene begegnet sie dennoch einigen Vorbehalten. "Gerade unter den Alteingesessenen, unter den Wiesnwirten, gibt es noch einige, für die habe ich das Unternehmen nie übernommen", sagt sie. Ernst genommen zu werden falle mit 37 einfacher als mit 30. Und sie weiß auch, was wirkt: "Diejenige, die zahlt, bestimmt. Das kann ich freundlicher und weniger freundlich formulieren."

Auch Gabriele Castegnaro hat 2001 das Geschäft ihres Vater übernommen, es ist ein Haus mit besonderer, nicht einfacher Tradition: das Modehaus Konen. Johann Konen ist ihr Großvater. Er hatte den Betrieb 1936 von der jüdischen Gründerfamilie Bach übernommen - eine erzwungene Übergabe an den ehemaligen Lehrling Konen. Vor vier Jahren ließ die Familie die Firmengeschichte mithilfe des Bayerischen Wirtschaftsarchivs aufarbeiten. Heute weiß Castegnaro sicher, dass die Übernahme tatsächlich so einvernehmlich ablief, wie ihr Großvater immer erzählt hatte.

Gabriele Castegnaros erster Schritt ist ein radikaler Wandel in der Führungskultur: "Weg vom Patriarchat, hin zu einer Arbeit auf Augenhöhe." Das heißt für sie auch: Arbeit soll Spaß machen, soll mehr sein, als nur Zahlen und Bilanzen zu betrachten, die Angestellten soll ein Zugehörigkeitsgefühl einen. Mit dem Anspruch, etwas Familiäres bewahren zu müssen, sei sie nicht angetreten, sagt Castegnaro. Es sollte etwas Neues, Modernes werden. Im selben Jahr eröffnet das neue Haus an der Sendlinger Straße. Ein guter Zeitpunkt für einen Neuanfang.

Die Umstrukturierung trifft auch die Mitarbeiter. Die neue Chefin siebt Kollegen aus, die keine Lust mehr haben auf ihre Arbeit oder auf Veränderung. Sie schildert es so: Wer den Neuerungsprozess mitgehe, werde Teil eines engen Teams und bekomme Schulungen, um sich weiterzuentwickeln. Wer mit ausgefahrenen Ellenbogen oder "falschen Spielchen" unterwegs sei, fliege raus. "Manche meiner Verhaltensweisen sind männlicher als die meiner männlichen Kollegen", sagt Castegnaro. "Dazu gehört, resoluter gegenüber Mitarbeitern zu sein." Heute nennt sie ihre Mitarbeiter "quality people", charakterlich und professionell gute Menschen, die Spaß an ihrer Arbeit haben und das auch den Kunden vermitteln. Ihr Credo: "Wer Kunden mit Wertschätzung begegnen will, muss auch selbst so behandelt werden."

"Weg vom Patriarchat": Konen-Chefin Gabriele Castegnaro. (Foto: privat)

Dass es auch anders laufen kann, weiß die promovierte Juristin aus eigener Erfahrung. Sieben Jahre war sie Anwältin. "Lust und Freude habe ich nur bei wenigen Kollegen gespürt." Dafür umso mehr Konkurrenzkämpfe. Dass sie selbst in dieser Welt landete, sie, die Kunst, Architektur, "irgendetwas Schönes" studieren wollte, das hatte ihr Vater entschieden. Der erlaubte seiner Tochter zu studieren, was sie wolle - "solange es Jura oder BWL ist". Schließlich habe sie eine Verantwortung, gegenüber der Familie, der Firma. Sie zog es durch, war erfolgreich, aber nicht glücklich. "Ich habe gespürt: Das bin nicht ich, da verleugne ich mich."

Als bei Konen die Stelle der Personalleitung frei wird, wechselt Castegnaro die Branche. "Ich wusste vom ersten Tag an, dass ich genau am richtigen Ort bin." Drei Jahre später übernimmt sie die Verkaufsleitung, ist für Deko und Präsentation, das Schöne und Kreative zuständig - wie sie es immer wollte. Die Freude und Energie, mit der sie bis heute Tag für Tag dabei sei, liegt für Gabriele Castegnaro genau darin begründet: tun zu können, was ihren Talenten und Fähigkeiten entspricht. Dass sie heute das Familienunternehmen nach ihren Regeln führt, war für Castegnaro ein Befreiungsschlag - auch gegen das Bild, das ihr Vater lange von ihr hatte. "Viele Frauen, die ich aus dem Berufsleben kenne, wirken auf mich sehr getrieben. Sie schlagen einen Weg ein, von dem sie glauben, dass sie ihn gehen müssen, statt sich zu trauen, das zu tun, was sich für sie richtig anfühlt." Für Castegnaro geht es nicht um weiblich oder männlich, es geht ihr um Authentizität: Ehrlichkeit, auch gegenüber sich selbst. Seine Stärken erkennen. Zu seinen Schwächen stehen. Und als Frau ein Kleid und Lippenstift tragen können, ohne nachdenken zu müssen, was andere davon halten. "Wenn mehr Menschen, Männer wie Frauen, zeigen würden, wer sie wirklich sind, dann wäre die Welt spannender", sagt Castegnaro. Und vielleicht säßen dann auch mehr Frauen in Führungspositionen. "Ich glaube, dass viel mehr Frauen Spaß daran hätten, als sich heute trauen."

Auch Kathrin Wickenhäuser-Egger hat daran große Freude. Sie wird bald dennoch für einige Tage nicht ins Hotel kommen. Sie muss ins Krankenhaus: die Tochter auf die Welt bringen. "Endlich habe ich meine Unternehmensnachfolgerin", sagt sie seit einiger Zeit mit einem Augenzwinkern, und besonders gern sagt sie es Männern. Denn der Sohn, eineinhalb Jahre alt, läuft längst durch die Büros und die Hotellobby - und ob eines ihrer Kinder einmal das Haus an der Schwanthalerstraße übernehmen will, das der Großvater anfangs noch als Autohaus führte, ist längst nicht gesagt. Noch am Tag vor der Geburt des Sohnes war die Chefin im Hotel, Elternzeit gab es nicht, nicht mal ein echtes Wochenbett. "Am dritten Tag ist er in den Kinderwagen gewandert, danach in ein Reisebettchen in meinem Büro", sagt seine Mutter. "Und wenn ich eine Besprechung hatte, ging er von Arm zu Arm in unserer Registraturabteilung." Wie es weitergeht mit zwei Kindern? Das weiß sie nicht. "Alles geht dann wirklich nicht", sagt sie. Aber: "Der Betrieb muss weiterlaufen."

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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