Unterkünfte für Asylbewerber:Kommando zurück

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Viele Hallen stehen leer wie hier auf dem Gilchinger Festplatz. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Es gab teure Planungen und erbitterten Streit um neue Flüchtlingsunterkünfte - in vielen Fällen umsonst. Nun stehen Hallen leer und Bauvorhaben liegen auf Eis

Monatelang haben die Gemeinden in der Region händeringend nach Unterkünften für Flüchtlinge gesucht. Der plötzliche Planungsstopp der Regierung von Oberbayern betrifft viele Projekte, um die lange gestritten wurde.

Umsonst abgestimmt

Ein Jahr lang hat ein Bürgerentscheid bindende Wirkung für die Kommune - nur einen Tag hielt dagegen das Votum der Moosacher im Landkreis Ebersberg. Wochenlang war um eine Unterkunft mit 45 Plätzen gestritten worden. Anfang des Jahres hatte die Mehrheit im Gemeinderat beschlossen, Moosach solle einen Mehrzweckbau errichten, den man zunächst an den Landkreis als Flüchtlingsunterkunft vermieten, später dann als Kindergarten nutzen kann. Dagegen war Bürgermeister Eugen Gillhuber (CSU), der in dem 1,2 Millionen Euro teuren Vorhaben ein zu großes finanzielles Risiko für die Gemeinde sah. Unterstützung bekam er von den Nachbarn der geplanten Unterkunft. Diese initiierten einen Bürgerentscheid, in dem eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge gefordert wurde. Doch die Moosacher entschieden anders, 53 Prozent von ihnen sprachen sich für die zentrale Unterkunft aus. Das war am Sonntag, 24. April. Am Montag darauf beschloss der Gemeinderat, das Projekt nicht weiterzuverfolgen, da das Haus wegen des Planungsstopps nicht zu vermieten sei.

Geld zurück

Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner ist entrüstet über die Kehrtwende. Die Stadt war gerade dabei, im großen Stil Unterkünfte zu errichten: Auf drei städtischen Grundstücken waren Flüchtlingsheime geplant, in denen Asylbewerber bis zu zehn Jahre lang leben sollten. Danach sollten sie für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden. Außerdem sollten auf zwei Arealen Containerbauten entstehen. Heilinglechner fordert nun Schadenersatz von der Regierung von Oberbayern. Schließlich habe man für die Planung bereits "einen sechsstelligen Betrag" ausgegeben. Er werde darauf pochen, dass der Stadt das Geld ersetzt werde. Die Entscheidung, nun nur noch auf Gemeinschaftsunterkünfte zu setzen, kann er nicht nachvollziehen. Sollte Wolfratshausen irgendwann wieder aufgefordert werden, doch noch mehr Unterkünfte zu schaffen, werde er nicht mehr mitspielen, droht der Bürgeremeister. "Das ewige Hü und Hott ist keine Lösung."

Ohne Vertrag kein Baubeginn

Für 135 Flüchtlinge wollte ein Investor vergangenen Sommer im Grafinger Gewerbegebiet eine Unterkunft schaffen. Doch Asylbewerber zwei Kilometer außerhalb der Stadt und noch dazu direkt an einer stark befahrenen Bahnlinie unterbringen, das wollte der Stadtrat nicht. Damit die Entscheidung rechtlich unangreifbar war, musste die Stadt eine Alternative anbieten. Sie fand sich auf dem Grundstück des neuen Bauhofs. Bis die Formalien geregelt waren, wurde es Dezember. Und prompt stellte sich der Investor als nicht vertrauenswürdig genug heraus. Also beschloss die Stadt im Februar, selbst den Bauherrn zu machen. Die Kosten von vier Millionen Euro sollten sich nach spätestens zwölf Jahren durch die Mietzahlungen der Regierung von Oberbayern amortisieren. Der Stadtratsbeschluss für den Bau liegt vor. Nun ist Mai, doch eine Mietzusage fehlt Grafing noch immer. So könnte das Projekt fallen, noch ehe es richtig begann. "Ohne einen Mietvertrag werden wir sicher nicht bauen", stellte die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) unlängst klar.

Zu lange gestritten

Eigentlich hätten die Bagger schon Ende 2013 anrücken können, damals erteilte der Vaterstettener Gemeinderat sein Einverständnis für eine Flüchtlingsunterkunft mit 100 Plätzen. Diese sollte der Freistaat auf Gemeindegrund errichten, das alte Obdachlosenheim dafür abgerissen werden. Danach begann das zähe Ringen: Erst zierte sich der Freistaat, auf fremdem Grund zu bauen, auch wenn die Gemeinde nur einen symbolischen Pachtzins verlangte. Dann gab es Differenzen über die geplante Nutzung: Die Gemeinde verlangte, dass acht Schlafplätze für Obdachlose in dem Neubau verfügbar sein müssten, der Freistaat bot die Plätze zunächst aber nur gegen Miete an - einige 100 Euro pro Monat. Vom Landkreis forderte der Freistaat eine Vorfinanzierung, was dieser aber mit Verweis auf die Zuständigkeiten ablehnte. Anfang 2016 schienen die Differenzen dann endlich ausgeräumt, Mitte April erteilte der Gemeinderat erneut seine Zustimmung - zwei Wochen später wurde das Projekt gestoppt.

Frustrierte Helfer

Seit Ende März steht die Traglufthalle im Sport- und Freizeitpark Neufahrn, nur die technische Abnahme fehlte noch - doch inzwischen ist völlig unklar, wann und ob dort überhaupt Flüchtlinge einziehen werden. Man müsse jetzt "alles neu überdenken", heißt es im Landratsamt. Möglicherweise könne man andere Unterkünfte entlasten und die Situation dort durch einen Umzug von Flüchtlingen innerhalb des Landkreises entspannen. Dann würde die Traglufthalle gebraucht, auch wenn gerade keine zusätzlichen Flüchtlinge ankommen. Längst einsatzbereit wäre der Helferkreis mit weit mehr als 100 Ehrenamtlichen. Diese seien nun schon frustriert, sagt Pfarrer Reinhold Henninger als Leiter des Kreises. Vorbereitet wäre auch die örtliche Feuerwehr: Sie hat vor Kurzem eine Übung in der Traglufthalle abgehalten, in der bis zu 300 Menschen untergebracht werden könnten.

Gräben in der Gemeinde

Weniger finanzieller als sozialer Art sind die Kosten des Hin und Hers um eine Flüchtlingsunterkunft in Adelshofen. In der Gemeinde im Landkreis Fürstenfeldbruck sollten Container für 52 Asylbewerber aufgestellt werden. Die Gegner einer Unterkunft in dem Ort mit gut 1600 Einwohnern hielten aber den Standort für falsch. Geplant war, dass die Unterkunft im Klostergarten Platz finden sollte, der schönsten Stelle in Adelshofen. Die Anhänger eines Baus, unter ihnen auch Bürgermeister Michael Raith, der von CSU und Parteifreien unterstützt wird, sahen sich hingegen im Wort. Schließlich hatten die Bürgermeister im Landkreis mit Landrat Thomas Karmasin vereinbart, dass jede Kommune Flüchtlinge aufnehmen solle. Nur drei Gemeinden hatten das zuletzt noch nicht getan - zu ihnen gehörte Adelshofen. Die Gegner ließen sich nicht umstimmen und sammelten Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Schließlich wurde abgestimmt, die Mehrheit sprach sich für eine Flüchtlingsunterkunft aus. Doch die kommt jetzt doch nicht, knappe zwei Wochen nach dem Bürgerentscheid legte die Regierung von Oberbayern das Projekt auf Eis. Bürgermeister Raith hofft, dass sich die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern bald schließen. Für die Gemeindekasse bleibt eine Rechnung von ein paar Tausend Euro übrig.

Außer Betrieb

Leer, bewacht und oft beleuchtet: Die Traglufthalle für 200 Flüchtlinge hatte eine Berliner Firma in großer Eile auf dem Festplatz in Gilching aufgebaut, nun steht die Unterkunft schon seit vier Monaten leer. Der Betreiber wäre das Landratsamt Starnberg, das wegen technischer und sanitärer Mängel jedoch bislang nicht bereit ist, die Traglufthalle zu übernehmen. Dafür müsste der Landkreis 50 000 Euro monatlich zahlen. Dagegen bestreitet die Firma die Mängel. Geschäftsführer Jürgen Wowra betont, dass die Halle komplett betriebsfähig sei. Mittlerweile glaubt der Firmenchef, die Kreisbehörde schiebe die Mängel nur vor, weil der Druck, Asylbewerber in größeren Notunterkünften unterbringen zu müssen, derzeit nicht mehr so stark vorhanden sei.

© SZ vom 10.05.2016 / frie, wkb, aip, thri, wkb, bg, ano, deu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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